
schnaeppchenjaegerin
Mira ist glücklich verheiratet und hat zwei Söhne. Sie lebt in Berlin, wo sie an einer multikulturellen Schule unterrichtet und sich sehr engagiert als Vertrauenslehrerin für ihre Schüler einsetzt. Als eine Schülerin ihr ein Video zeigt, ist sie entsetzt. Es zeigt Mira selbst in pornografischer Darstellung - nur dass es Mira nicht ist. Bei dem Video handelt es sich um ein professionelles Deepfake. Es verbreitet sich rasant und bewirkt, dass Mira umgehend vom Schuldienst suspendiert wird. Die Anzeige bei der Polizei hat wenig Aussicht auf Erfolg, weshalb Mira selbst handeln muss. Ihre Suche nach dem Täter führt sie zurück an den Ort ihrer Kindheit im Bayerischen Wald und damit zu einer Vergangenheit, mit der sie sich nie wieder konfrontieren wollte. In Tannwinkel trifft sie überraschend auf ihre alten Freunde wieder, aber auch auf die unverhohlene Ablehnung der Dorfbewohner, die Mira schon immer als Luder bezeichnet haben. Der Roman wird in der Gegenwart aus der Sicht von Mira geschildert. Daneben liest man die Tagebucheinträge von Kat, die im Jahr 2003 neu nach Tannwinkel gezogen ist und sich mit einer kleinen Gruppe gleichaltriger Jugendlicher anfreundete. In dem von ihr beschriebenen Sommer kam es nach Eifersucht und Verrat zu einem Bruch der Freundschaft, der in einer Katastrophe mündete. Die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit wird mit der Ankunft von Mira in Tannwinkel offensichtlich. Diese hat mit Alpträumen und Schuldgefühlen zu kämpfen. Was sich in der Vergangenheit ereignet hat und ob das der Auslöser für die Diffamierung ist, wird erst allmählich klar. Dabei ist die Geschichte wendungsreich geschildert und lässt Raum für Spekulationen für Täter und Motiv. Es handelt sich um einen ausgeklügelten Racheplan, der technisches Know-how und modernste Computer-Technologien voraussetzt. Erschreckend ist, was KI alles leisten und wie schnell eine ganze Existenz zerstört werden kann. Die Spannung ist durchgehend hoch und steigert sich in der Gegenwart in eine Bedrohungslage, die von Misstrauen und Angst geprägt ist. Auch die Vergangenheit in dem abgelegenen, rückständigen Dorf fesselt, wo die Jugendlichen ihre Geheimnisse haben, die sie gegenseitig zerstören können. Was sich tatsächlich vor 20 Jahren ereignet hat, offenbart sich erst am Ende, selbst für die Beteiligten. Der Psychothriller ist authentisch und besonders beängstigend, da grundsätzlich jeder von Deepfakes betroffen sein kann. Es fällt insofern leicht den Horror von Mira und ihren Freunden nachempfinden. Die Deepfakes sind jedoch nur ein Auslöser für den Horror, der sich nach Miras Rückkehr in Tannwinkel auftut. Die Geschichte ist noch auf den letzten Seiten so undurchsichtig und wendungsreich, dass fast jeder Protagonist kurzfristig als Täter in Frage kommt. Die Motive aus verletzten Gefühlen, Angst vor Entdeckung und Vergeltung sind logisch und folgerichtig. Aufgrund des komplexen Konstrukts muss man am Ende konzentriert lesen, um jede Wende und falsche Vermutung nachvollziehen zu können.