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schnaeppchenjaegerin

Posted on 3.2.2025

Viktoria Becker wohnt in der Spandauer Vorstadt und studiert Medizin an der Freien Universität in Westberlin. Mit dem Bau der Mauer im August 1961 wird ein grenzüberschreitendes Studium verhindert und gefährdet Vickys großen Traum, Ärztin zu werden. Dank des Engagements westdeutscher Studenten gelingt Vicky und ihrem Freund Achim die Flucht in den Westen. Während Vicky ihr Studium mit Engagement fortsetzt, wird Achim im November 1961 als Fluchthelfer verhaftet. Vicky weiß nichts über den Verbleib Achims und hat nach dem Studium Probleme, eine Anstellung zu bekommen. Ihr Ziel der Chirurgie rückt in weite Ferne, aber nach einem Erste-Hilfe-Einsatz kann Vicky ihre Medizinalassistenz an der Klinik am Frankfurter Flughafen absolvieren. Als junge Ärztin hat sie es in der Männerdomäne und den fordernden Schichtdiensten nicht leicht, setzt sich jedoch wissbegierig und leistungsstark durch und ist in ihrer knappen Freizeit als Samariterin im Frankfurter Rotlichtmilieu im Einsatz. Im Kampf für den Ausbau zu einer modern ausgestatteten Klinik am Frankfurter Flughafen hat Vicky kaum Zeit an ihre Familie im Osten zu denken. Sie vermisst Achim, sehnt sich nach einem Wiedersehen und ist deshalb nicht offen für eine neue Liebe, ohne zu hinterfragen, ob sie nach einer langen Zeit der Trennung immer noch dieselben sein würden und ihre Beziehung noch eine Chance haben könnte. Der Roman handelt von 1961 bis 1972 und ist eine lebendige Geschichte mit einer liebenswerten Hauptfigur. Sehr detailreich wird der Lebensweg der Anfang 20-Jährigen, insbesondere ihre ersten Schritte im Beruf, geschildert. Die fiktive Geschichte um die unerschrockene, forsche und ehrgeizige Vicky wird dabei mühelos mit der deutschen Historie verbunden. Der Zweite Weltkrieg und die Besatzungszeit liegen noch nicht lange zurück, die Bundesrepublik befindet sich im Wirtschaftsaufschwung mit Leiharbeitern aus allen Herren Ländern. Es ist die Zeit von Gammlern und Studentenprotesten gegen Krieg und atomare Aufrüstung, aber auch die Zeit des Vietnam-Kriegs und von zunehmendem Terror um den Staat zu erpressen. Durch den anschaulichen Einblick in das Leben in die 1960er-Jahre in Ost und West ist der Zeitgeist spürbar. Vickys persönliche Geschichte mit Klinikalltag und ihrem einnehmenden Wesen sowie das Einfließen der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sorgen für ein anschauliches Bild der damaligen Zeit und der Lebensumstände, die durch Alltagsszenen, Musik, Nachrichten und reale Ereignisse untermalt wird. Die Geschichte ist so lebensecht und authentisch, als wäre man an Vickys Seite. Dabei schafft es die Autorin ohne übertriebenes Drama und mit vielvältigen interessanten medizinischen Details diverse aufregende Situationen als Notärztin, Allgemeinmedizinerin oder Gynäkologin zu schildern. Die Liebesgeschichte bleibt dezent im Hintergrund, so dass tatsächlich Vickys Weg als mutige und engagierte berufstätige Frau im Vordergrund steht, die nicht zurückblickt, ihr Ziel klar vor Augen hat und dennoch genug Empathie für ihre Patienten und die Damen der Frankfurter Halbwelt aufbringt. "Lebensträume - Ärztin einer neuen Zeit" ist ein vielschichtiger Entwicklungsroman über eine sehr engagierte junge Ärztin. Er schildert einen emanzipierten Lebensweg vor dem Hintergrund des Verlusts der Heimat, hinterfragt damalige Moralvorstellungen und hinterlässt durch Vickys Lebensmut, sich entwickelnde Freundschaften, Fortschritte und Erfolge ein wohliges Gefühl. Der Roman ist abwechslungsreich, spannend und emotional, macht Geschichte lebendig und zeigt eindringlich den Wert von Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit.

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