Buchstabengeflüster
Sehr atmosphärisch Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: Zum einen 1933 im Graphischen Viertel in Leipzig, wo der Rauch der Dampfmaschinen die vielen Druckereien und Buchhandlungen einnebelt. Dort trifft der ehemalige Kommissar Cornelius eines Nachts auf ein Mädchen und hält sie davon ab von einer Brücke zu springen. Am nächsten Tag findet er sie tot neben einem ehemaligen Kollegen. Was ist den beiden zugestoßen? Um das herauszufinden kämpft sich Cornelius in den Polizeidienst zurück, wobei die obersten Chefs gewisse Leute als Mörder sehen wollen… Zwanzig Jahre früher reist die Lektorin Paula mit ihrem Verlobten in das Baltikum um das neueste Manuskript einer ihrer Autoren abzuholen. Doch das riesige Herrenhaus mit den wenigen Bewohner/innen ist bald eingeschneit und es geschehen seltsame Dinge. >>Der Gang vor der Bibliothek war verlassen, die Tür stand weit offen. Warmes Licht fiel auf den Korridor, verwandelte die Buchrücken an den Wänden in Goldbarren.<< S. 495 Die beiden Zeitebenen sind unabhängig voneinander sehr spannend. Zum einen habe ich sehr interessiert Cornelius‘ Nachforschungen verfolgt. Die Verbindung zwischen dem Mädchen und dem toten Polizisten, der Grund für ihren Tod und die seltsamen Worte des Mädchens werfen viele Fragen auf, die erst nach und nach und sehr fesselnd beantwortet werden. Neben dem Kriminalfall ist das Geschehen im eingeschneiten Haus des Autors aber nicht langweilig. Denn das große Herrenhaus im Nirgendwo strahlt mit nur drei momentanen Bewohner/innen etwas Düsteres und Verlassenes aus. Außerdem macht Paula seltsame Beobachtungen. Eine sehr rätselhafte Situation, die stets die mysteriöse Atmosphäre eines Schauerromans ausstrahlt. Doch was verbindet die zwei Geschichten? Neben der Auflösung am Ende auf jeden Fall auch diese geisterhafte und mystische Stimmung. Kai Meyer hat einen bildhaften und intensiven Schreibstil, mit dem er die Szenen gekonnt umgesetzt hat. Ich war an den Seiten gefesselt. Die zwei Toten, die daraus folgenden Nachforschungen bei Okkultisten und das vernebelte Graphische Viertel tragen genauso zur düsteren und geisterhaften Atmosphäre bei wie die Einsamkeit und mysteriösen Beobachtungen im großen, eingeschneiten Herrenhaus. Übrigens finde ich es sehr interessant, dass in dem Roman kurz die Geschichte der Baltendeutschen Anfang des 20. Jahrhunderts umrissen wird. Fazit: „Das Haus der Bücher und Schatten“ ist ein fesselnder Roman der einerseits einen historischen Krimi enthält und auf der anderen Seite einem Schauerroman gleicht. Düster, fesselnd, wortgewandt und bildhaft beschreibt Kai Meyer die beiden Orte und Zeitebenen.