mabuerele
„...Mit dem Koffer in der Hand bleibt er auf dem Bahnsteig stehen, in die Wolke des eigenem Atems gehüllt. Er spürt die Umrisse seines Körpers überdeutlich, die feine Grenze, die ihn von der Außenwelt trennt...“ Es sind großartige Sprachbilder, mit denen mich die Autorin in ihrem Roman konfrontiert. Die leise Geschichte um den Jungen Vadim führt mich in die abgeschiedene Bergwelt Frankreichs. Wir schreiben das Jahr 1942, doch der Krieg scheint in weiter Ferne. Die Ankunft mit dem Zug macht aus dem 12jährigen Vadim den Jungen Vincent. Offiziell kommt er in das kleine Bergdorf, weil er Asthma hat. In Paris wurde das immer schlimmer. Doch Vincent ist außerdem Jude. Zwar spielte die Religion für seine Eltern keine Rolle, das aber interessiert die Besatzer nicht. „...Vadim lernte daraus: Es zählt nicht, wer du bist, sondern für wen man dich hält...“ Nur ab und zu gestattet mir Vincent einen Blick in seine Vergangenheit und das Geschehen in Paris. Die meiste Zeit darf ich die Bergwelt mit den Augen des Jungen sehen. Die Berge verzaubern ihn. Bei Blanche und Albert wird er liebevoll aufgenommen. Doch das Leben will neu gelernt sein. Er hat keine Ahnung von der Landwirtschaft, weiß nichts über die Gefahren der Lawinen und kann nicht Skifahren. Die 10jährige Moinette erklärt ihm alles und zeigt ihm, was zu tun ist. Der Anfang in der Schule gelingt überraschend gut. Vincent hat eine besondere Gabe. „...Vor seinen inneren Augen stellt sich das Alphabet als durchgehende Linie dar, auf der jeder Buchstabe in seiner eigenen Farbe leuchtet...“ Auch Worte und Zahlen verbindet er mit Farben. Vincent fügt sich ins Leben ein. Dem Winter folgt der Frühling 1943. Er stellt neue Anforderungen an das Leben. „...Es taut, dann schneit es wieder, dann taut es erneut, als würde eine unentschlossene Hand den Film immer wieder zurückspulen...“ Das Leben verlagert sich ins Freie. Das gilt für Mensch und Tier. Der Pass wird wieder begehbar. Mit dem Sommer kommen die Ferienkinder. Dann verlassen die Italienischen Soldaten die Gegend. Noch ahnt Vincent nicht, dass für ihn die Zeit in den Bergen zu Ende geht. Er ist nicht mehr sicher. Die Deutschen sind im Anmarsch. Sein Weg wird ihn in die Schweiz führen. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist eine leise Geschichte, die berührt und bewegt.