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anni_anushka

Posted on 26.11.2024

Geschichte einer sich aufopfernden Lehrerin An dem Tag, als der Tod ihrer Lieblingsschülerin bekannt wird, erscheint die Lehrerin Silvia nicht in der Schule. Während sie im Wald verschwindet, suchen die Menschen von Biella nach ihr. Aber Silvia, geplagt von Schuldgefühlen, will nicht gefunden werden. Doch dann steht plötzlich ein Schüler ihrer Schule vor ihr und wird durch seine Entdeckung in ein Dilemma gestürzt. Soll er die Suchenden zur Lehrerin führen oder ihren Aufenthaltsort für sich behalten? Je länger Silvia verschwunden bleibt, desto schwieriger wird der Zwiespalt. Währenddessen driftet Silvia immer weiter in ihre Erinnerungen ab. "In den Wald" erinnert an Elena Ferrantes Figuren der italienischen Mittel- und Unterschicht. Hier befinden wir uns in den 70er Jahren in der Region Piemont. Die ziemlich archaisch anmutende Gesellschaft wirkt wie aus der Zeit gefallen. Während in den Metropolen der Welt die Moderne um sich greift, kämpfen die Einwohner:innen des Piemonts mit den wirtschaftlichen Veränderungen und der Notwendigkeit, vom Viehtrieb in den Bergen zur Fabrikarbeit in den umliegenden Städten zu wechseln. Gerade die Männer scheinen mit ihrer Veränderung zu hadern und nicht wenige lassen das an ihrer Familie aus, was auch Silvias Lieblingsschülerin zu spüren bekommt. In diesem Roman wird den verschiedenen Familiengeschichten und -konstellationen nachgespürt. Die Gemeinschaft bestimmt immer noch über den Platz der einzelnen Personen. So geben sich die Bewohner:innen vordergründig besorgt um Silvia, doch schnell wird Silvia auch Unangepasstheit und Außenseitertum zugeschrieben und ihre Absichten bei den Kindern hinterfragt. Vom Klappentext und der Ankündigung her hatte ich mir mehr Naturszenen erhofft. Während Silvia vor Trauer und Schock im Wald verwahrlost, rückt der Wald zwar immer näher, aber Silvia interagiert wenig mit ihm oder der Landschaft. Der Wald ist ihr Rückzugsort und Kulisse, aber wenig mehr. Im Zentrum steht das schwierige Leben in einer italienischen Kleinstadt in den 1970ern. Das ist weitestgehend interessant und einfühlsam aufbereitet und auch der Handlungsstrang, ob Silvia gefunden wird und ob der Schüler ihren Aufenthaltsort verraten wird, ist insgesamt spannend. Das Buch ist aber ganz klar deutlich mehr eine Milieustudie als ein Naturroman. Das sollte man vor dem Lesen wissen, dann eröffnet sich einem ein interessanter Einblick in eine Gemeinde, die mit den fortschreitenden Entwicklungen zu kämpfen hat und eine Lehrerin, die an ihrer Aufopferung für ihre Schüler:innen zu zerbrechen droht.

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