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Frankreich, im Mai 1968: Arbeiterproteste und Studentenunruhen dominieren die Straßen von Paris, es kommt zum Generalstreik – Chaos! Mittendrin: Drei Freundinnen, die Vorreiterinnen der neuen Zeit sein wollen. Als eine der Studentinnen getötet aufgefunden wird, tippt die Polizei auf einen Ritualmord, da die Pose der Leiche einerseits an Tarotkarten & andererseits an eine Yogaübung angelehnt zu sein scheint. Als auch die Zweite aus dem Kleeblatt bestialisch ermordet wird, ist für den Kommissar klar, dass die Spur nach Indien führt, wo eine Sekte ihr Unwesen treibt (der Guru heißt nicht Bhagwan). Gemeinsam mit seinem Bruder, einem Studenten der Geisteswissenschaften und Mädchen Nr. 3 (ist sie die Nächste auf der Liste des Serienmörders?) reist der Haudegen nach Südasien, sozusagen ins Herz der Hölle, doch der Weg wird das Ermittlerteam wieder nach Europa führen… Der Film „Die purpurnen Flüsse“ (mit den Top – Schauspielern Reno und Cassel) gehört zu meinen liebsten Buchverfilmungen (die Serienadaption finde ich aber richtig schlecht). Grangés letzte Publikation habe ich regelrecht „verschlungen“ - „Die marmornen Träume“ haben mich gut unterhalten. In „Blutrotes Karma“ bleibt der französische Autor dem ‚Strickmuster‘ aus den „Träumen“ treu – es gibt ein Ermittlerteam, welches aus einem Dreiergespann besteht (nebst sidekick Berto), wobei zwei Personen Zivilisten sind. „Blutrotes Karma“ ist eine einigermaßen wilde Mischung: Der Thriller ist nichts für schwache Nerven, als historischer Roman bietet er spannende Einblicke in die Geschichte (manchmal wird auch das Fantasygenre gestreift). Diesen Mix muss man mögen, wie immer neigt Grangé zu Übertreibungen, er kombiniert sozusagen Dichtung und Wahrheit. Es gefiel mir, dass es im Roman keine billige Blumenkinderromantik und kein kitschiges Indienbild gibt – das Gegenteil ist der Fall; Grangé präsentiert eine regelrechte Horrorvision der Umgebung mit „wimmelnden Menschenmassen“ und eine Kritik am Tantrismus (Man sollte immer daran denken, dass er einen Unterhaltungsroman geschrieben hat und keine wissenschaftliche Arbeit). Die Gefahren und Irrwege des Hippie Trails werden aufgezeigt (wie auch in der Netflixserie „The Serpent“), der Subkontinent wird nicht zum gelobten Land verklärt, sondern als „Land des Teufels“ porträtiert, (die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen) in welchem obskure Praktiken nicht wenige Opfer forderten. Die kulturgeschichtlichen Hintergründe, die der Autor anführt (ob es sich nun um Europa oder um Indien handelt), sind sehr interessant. Zwar wusste ich, dass es auch eine französische Kolonie in Indien gab, dass Sikhs die Gebote ihrer Religion sehr ernst nehmen, „Aghori“ waren mir vor der Lektüre jedoch kein Begriff. Das Europabild des Autors ist nicht so düster, Kritiker werden ihm sicher einen kolonialen Blick attestieren. Eine filigrane Figurenzeichnung ist Grangés Sache nicht; wie so oft gibt es einen traumatisierten „Superbullen“: Algerienveteran Jean – Louis „JL“ Mersch ist ein drogensüchtiger Haudegen und ein überzeugter Sozialist, sein Halbbruder Hervé ein vergeistigter Intellektueller, die schlaue Studentin Nicole ist eine Vertreterin des Pariser Großbürgertums, und – wie könnte es anders sein – wunderschön. Auch der dramatische plot bietet keinen dezenten Handlungsverlauf; formal ist der Roman in mehrere Teile gegliedert, wobei der letzte Abschnitt schnell auserzählt ist - Dan Brown lässt grüßen. Manches wirkt recht konstruiert, ein Satz ist unfreiwillig komisch; trotz kleiner Schwächen ist für mich „Blutrotes Karma“ dennoch das Thriller- Highlight des Jahres. Die bildhafte Erzählweise des Autors macht eine längst vergangene Ära wieder lebendig; daher hebt sich „Blutrotes Karma“ angenehm von der Krimimassenware, die den Markt überschwemmt, ab. Die Geschichte ist durchweg spannend, ich habe schon lange keinen Roman mehr gelesen, der mich derart gefesselt hat! Im Kern ist der Histokrimi eine Liebeserklärung an Paris. Ich freue mich schon auf den nächsten Roman.