anne_hahn
Mein Lieblingsbuch 2024! "Männerblicke waren immer sehr aufschlussreich; sie verrieten einem deutlich, ob man dem Mann etwas bedeutete oder ob man ihm nicht das Geringste bedeutete. Obwohl dieser Mann lächelte, konnte Honey sehen, wie er sie einschätzte: nämlich als schwach und überflüssig. Er hielt seine erstaunliche Virilität wie eine Waffe über sie. Sie roch seine Arroganz geradezu." Honey führt uns über 463 Seiten an das Ende ihres Lebens, und das ist wunderbar. Wunderbare, aufregende Monate eines über achtzigjährigen Lebens, das jetzt zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Denn Honey hat noch eine Rechnung mit ihrer italienischen Mafia-Familie zu begleichen und zieht deshalb von der kalifornischen Küste, wo sie kunsterfüllte Jahrzehnte verbracht hat, zurück in die piefige Provinz an der Westküste der Vereinigten Staaten. Dort gibt es nur geldgierige Verwandte, dumme Nachbarn und gewalttätige Männer. Oder? Ich bin verzaubert von der Welt, die Victor Lodato mit scheinbar leichter Hand ausmalt. Es tauchen so skurrile Figuren und Handlungsläufe auf, dass man das Buch einfach nicht mehr weglegen mag. Die Kleinstadt in New Jersey und das Haus, das sich Honey für die letzte Aktion ihres Lebens gekauft hat, sind der Rahmen einer überbordenden Handlung, in der Honey sich mit der übergewichtigen Nachbarin anfreundet, teure alte Autos fährt, einen jungen Maler kennenlernt, ihren Großneffen verprellt und ab und an ein Salatblatt isst. Wenn sie ausgeht, tupft sie sich einen Tropfen Geranienöl hinters Ohr - eine Angewohnheit, die ich sofort übernommen habe und jetzt jeden Tag mit einem Honey-Ritual beginne - danke an den Autor, der so überzeugend in die Haut einer 82-jährigen Frau geschlüpft ist und den Beck-Verlag, der uns daran teilhaben lässt!