stricki
Ausbruch Erwin will ein Abenteuer erleben, er will in die Natur, will von der Natur leben, will der Anführer einer Gruppe von Freigeistern sein, mit freier Liebe, Sonnenschein, wild und ungebunden. Aber Erwin will auch gefunden werden, von seiner Frau und seinen beiden Kindern. Er hinterlässt Nachrichten. Wirkt seine Flucht zuerst noch halbwegs organisiert, geht es schnell rapide bergab mit ihm. Erwin hat eine Psychose, im Grunde immer schon, aber mit Mitte Fünfzig bricht sie durch. Wo vorher nur Höhen und Tiefen waren, unter denen seine Familie zwar litt, aber mit denen sich alle arrangiert hatten, folgt nun der totale Zusammenbruch und anschließend eine kontrollierte Medikation, die ihn komplett verändert. Doris Wirth beschreibt die Auswirkungen von Erwins Psychose aus mehreren Perspektiven: seine, die seiner Frau und die von Lukas und Florence, seinen beiden Kindern. Sie gibt Einblick in Erwins Welt ohne und mit Medikamenten, und deren Folgen für die ganze Familie. Der Anfang hat mir sehr gut gefallen, wie Erwin stetig durchdreht, plus die Rückblenden, die aufzeigen, wie ihm seine Krankheit sein Leben erschwert, die Beziehungen zu seinen Kindern, ständig wechselnde Arbeitgeber. Seine einzige Konstante: Ehefrau Maria. Aber: Ab der Hälfte verlor mich das Buch, die Geschichten der Kinder hätte ich nicht gebraucht, dafür hätte ich gern mehr von Maria und Erwin erfahren. Ich hätte mir hier mehr Stringenz in der Erzählung gewünscht, mehr Fokus. Es faserte mir zum Ende hin zu sehr aus. Das Buch hinterlässt mich nachdenklich - es ist wirklich tragisch, welche Auswirkungen eine Psychose auf eine ganze Familie hat, wie sehr die Betroffenen darunter zu leiden haben.