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wandanoir

Posted on 8.10.2024

Der Ozean, eine Insel und ein Computer Da der neueste Roman von Richard Powers auf der Longlist des Man Booker Prize 2024 gelandet ist, musste ich den Roman unbedingt lesen, und das obwohl ich eigentlich inzwischen genug von Richard Powers gelesen habe. Diese Aussage hat rein gar nichts mit Qualität zu tun, im Gegenteil, doch Powers ist eben immer nur Powers und ich kenne inzwischen seine unterhaltsame Art zu schreiben. Es gibt ja noch so viele andere Autoren zu entdecken. Und meine Zeit ist begrenzt. Worum gehts? Die Hauptrolle spielen zwei Männer, Rafi Young und Todd Keane, zwei Männer, die über eine lebenslange Hassliebe miteinander verbunden sind oder mit anderen Worten durch einen lebenslangen Konkurrenzkampf. Der eine ist weiß, der andere schwarz, der eine ist aus reichem Haus, der andere stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Einmal darf man raten, welcher wohin gehört. Damit hat Power schon mal die Themen Rassismus und Klasse aufgegriffen. Nach anfänglichem Abtasten, Belauern und Bekämpfen entwickeln die Teenager untereinander eine enge Männerfreundschaft. Denn es verbindet sie viel. Beide sind intellektuelle Überflieger mit gemeinsamen Interessen, aber unterschiedlichen Schwerpunkten. Todd Keane ist von Anfang an fasziniert vom aufziehenden Computerzeitalter und wird nach und nach mit seinem Projekt „Playground“ ein eigenes milliardenschweres Imperium aufbauen. Auf dem Feld des Spielens messen sich die Freunde täglich, zuerst im Schach, dann im Go. Und im Entwickeln von neuen Spielideen ergänzen sie sich. Powers streift einmal kurz die Thematik der Spielsucht. Dann hat er seiner pädagogischen Pflicht Genüge getan. Weiter geht’s. Freilich ist die gesamte Geschichte auf dem Phänomen menschlichen Spieltriebs aufgebaut. Rafi Young aber, mit scheußlich vielen Komplexen behaftet, widmet sich schließlich der Literatur und im speziellen der Lyrik, schließlich der Liebe und dann bricht er mit allem und isoliert sich. Während sein alter Freund Todd sich weiterhin mit der Entwicklung der Computerwelt und im Besondern der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz verschreibt. Zwischendurch wird die Leserschaft auf eine idyllische karibische Insel versetzt, auf der die Uhren noch anders ticken das heißt inzwischen wieder anders ticken, denn die Insel, Makatea genannt, ist vor zigJahren vom westlichen Kapitalismus verheert worden, seiner Bodenschätze beraubt und zerschlagen zurückgelassen worden. Die Heuschrecken ziehen weiter. Jetzt könnten sie eventuell zurückkehren. Es liegt ganz allein an den Makateanern. Dem Raubbau an der Natur gehört Powers Herz in diesem Roman. Mit der Ozeanographin und Tiefseetaucherin Evelyn Beaulieu, die sich tapfer ihren Platz unter der männlich dominierten Wissenschaftsriege erkämpft, wirft Powers die Klimaerwärmung, die Ausbeutung und Verschmutzung des Meers in seine Roman-Waagschale. Es ist der uralte Konflikt der Menschheit, den Powers thematisiert: Profit oder Schutz der Umwelt. Auch hier darf man nur einmal raten, was die Oberhand gewinnen wird. Der Kommentar und das Leseerlebnis: Powers ist ein Meister der Figurenzeichnung. Das macht seinen Roman so amüsant. Die Freundschaft der beiden, sich schließlich auseinanderdividierenden Männer liest sich wie das besten Jugendbuch ever. Das weibliche Element, zwischen den beiden Männern befindlich, wird durch die Kunst symbolisiert. Ina Aroita eine bildende Künstlerin ist als das exotische Element definiert. Fremdheit und Exotik: Check! Erziehung darf nicht fehlen, idyllisches Inselleben, eine Lektion an Teilhabe an Demokratie – Politischer Input: check. Powers ist unterhaltend bis in seine letzte Inselfigur hinein. Ich habe mich großartig amüsiert beim Großen Spiel bis zu seinem letzten Knalleffekt – der mich nicht so überrascht hat wie andere mir bekannte Leser. Schließlich bin ich bekennende Nathan-Hill-Leserin. Wir sind vorbereitet. Aber das ist mir alles zu Jugendbuchhaft, fast zu viel Försters Pucki (wer weiß, was ich damit meine, weiß es, wer nicht, der nicht). Fazit: Das große Spiel von Powers ist alles, lustig, rührend, unterhaltsam, modern, es arbeitet viele Themen ein, leider nicht ab, ist romantisch, idyllisch, lieb, süß und nett – nur eines ist es nicht: große Literatur. Auf meine ManBookerListe wäre Powers mit diesem Roman nicht gekommen. Gelesen habe ich "Das Große Spiel" trotzdem sehr gern, denn man will ja nicht immer in den höheren Sphären kompliziert geschriebener Romane schweben. Dort ist die Luft sehr dünn. Warum bekommt das Buch nur 3 Punkte, da es mir "gefallen" hat? Weil es sich mit dem Anspruch messen musste, ein Longlist Booker Roman zu sein. Kategorie: Gute Unterhaltung: 5 Literarischer Anspruch: 2 Verlag: Penguin, 2024

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