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buchstabenpoesie

Posted on 4.10.2024

In “Die Frauen jenseits des Flusses” begleiten die Lesenden die Protagonistin Frances, auch Frankie genannt, auf ihrer Reise in den Vietnamkrieg, wo sie als Krankenschwester tätig ist. Kristin Hannah schafft es, mit einem lebendigen und detailreichen Schreibstil das Grauen des Krieges und die schwierigen Lebensumstände der Kriegsveteranen, insbesondere der Frauen, eindrucksvoll zu schildern. Gerade die Passagen, in denen Frankie als Krankenschwester arbeitet, sind spannend und fesselnd. Hier wird deutlich, wie hart und aufopferungsvoll die Rolle der Frauen im Krieg war. Leider zieht Frankie in der Geschichte recht schnell wieder zurück in die Heimat – zumindest empfand ich es so, dass der Vietnamkrieg selbst nur etwa ein Drittel des Buches umfasst. Das finde ich schade, da ich mir gerade hier mehr Einblicke und Details erhofft hatte. Stattdessen liegt der Fokus stärker auf den Herausforderungen, die Frankie nach ihrer Rückkehr erwarten, vor allem im familiären Umfeld. Ihr Vater verleugnet ihre Taten im Krieg, während ihre Mutter hin- und hergerissen ist zwischen ihrer Tochter und dem Erhalt des guten Rufs. Diese Konflikte sind zwar interessant, aber für meinen Geschmack hätte der Krieg selbst und die Erlebnisse in Vietnam noch stärker in den Vordergrund gerückt werden können, um die emotionale Tiefe der Geschichte zu intensivieren. Auch die immer wieder eingestreuten Liebesgeschichten nehmen viel Raum ein, was für mich etwas ermüdend war. Der ständige Wechsel der Charaktere und die emotionalen Verstrickungen lenken manchmal zu stark vom eigentlichen Thema des Buches ab – dem Krieg und den Opfern, die er gefordert hat. Gerade im Hinblick auf die aktuellen Konflikte, wie den Krieg in Israel und Gaza oder den Krieg in der Ukraine, ist dieses Buch von großer Bedeutung. Die Wichtigkeit des Erinnerns an das, was geschehen ist, wird hier aufgegriffen, um die Vergangenheit nicht zu wiederholen. „Und da war es wieder. Erinnern war wichtig. Das wusste Frankie nun. Niemand konnte den Blick vom Krieg und von der Vergangenheit abwenden, niemand konnte einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen“ (S.536). Trotz der Kritikpunkte hat mich das Buch vor allem aufgrund des lebendigen Schreibstils und der gelungenen Darstellung von Frankies Erlebnissen in Vietnam überzeugt. Hannah schafft es, die Grausamkeiten des Krieges und den Umgang Amerikas mit seinen Kriegsveteranen authentisch darzustellen. Insgesamt gebe ich dem Buch vier Sterne, da es zwar einige Längen und weniger gelungene Schwerpunkte gab, aber dennoch eine bewegende und interessante Geschichte erzählt wird, von welcher man merkt, wie viel Arbeit und Herzblut in diese Handlung hinein geflossen sind.

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