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*Auftakt zu einem Krimiklassiker mit nostalgischem Charme* MEINE MEINUNG Bei dem klassischen Kriminalroman „Mord in der Charing Cross Road" von der britischen Autorin Henrietta Hamilton handelt es sich um den ersten Band einer wieder entdeckten Krimi-Klassiker-Reihe rund um das selbsternannte Hobby-Ermittlerduo Sally und Johnny. Ganz im Stil klassischer Whodunits aus der Feder von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle verfasst, bietet dieser britische Krimiklassiker zwar gediegenen Rätselspaß, kann aber leider bei weitem nicht mit deren raffiniert konstruierten Kriminalfällen mithalten. Obwohl der Roman bereits 70 Jahre alt ist, erscheint er erstaunlich zeitlos. Die Handlung und das historische Umfeld verraten dennoch das Alter der Geschichte und spiegeln deutlich den damaligen Zeitgeist wieder. Dank behutsamer Modernisierung der Übersetzung wirkt der Schreibstil relativ frisch und ansprechend. Der Krimi zeichnet sich jedoch durch ein sehr gemächliches Erzähltempo und eine eher spannungsarme Handlung mit ausführlichen Beschreibungen aus, die leider etliche Längen aufkommen lässt und für heutige Lesegewohnheiten gewöhnungsbedürftig ist. Als faszinierenden Schauplatz für den Kriminalfall hat die Autorin das rastlose London der Nachkriegszeit Mitte der 1950er Jahre gewählt. Gekonnt zeichnet sie ein eindringliches, authentisches Bild der vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten britischen Hauptstadt in hoffnungsvoller Aufbruchstimmung und inmitten gesellschaftlichen Wandels. Die anschaulichen Beschreibungen der Schauplätze, Mode und des alltäglichen Lebens lassen uns mühelos in die damalige Zeit eintauchen. Die Handlung ist hauptsächlich im mehrstöckigen Antiquariat in der berühmten Londoner Charing Cross Road angesiedelt, die für ihre zahlreichen Buchhandlungen bekannt ist. Hamilton gelingt es gut, diese reizvolle Kulisse und einzigartige Atmosphäre der literarischen Welt einzufangen. Die verstaubten Regale voller antiquarischer Bücher, der besondere Duft alter Kostbarkeiten und das Knarren der Holzdielen werden so lebendig beschrieben, dass man sich rasch mitten im Geschehen wähnt. Insgesamt entfaltet die faszinierende Zeitreise in die Nachkriegsjahre des alten Londons und das schöne Flair der antiquarischen Buchhandlungen einen besonderen nostalgischen Charme und machen den besonderen Reiz dieses leicht angestaubt wirkenden, aber unterhaltsamen Krimis aus, der zudem einige Mystery-Elemente enthält. Vor diesem faszinierenden Setting der Buchhandlung ereignet sich der geheimnisvolle Mord an dem höchst unbeliebten Antiquariatsmitarbeiter Mr. Butcher. Sally Merton und der Juniorchef Johnny Heldar beginnen auf eigene Faust mit diskreten Nachforschungen zu dem rätselhaften Todesfall, bei dem auch einige sehr mysteriöse Vorgänge eine Rolle zu spielen scheinen. Ihre im Rahmen der Ermittlungen geführten Gespräche mit etlichen Verdächtigen und Zeugen enthüllen verschiedene Hinweise auf mögliche Motive für den Mord. Der mit spannenden Verwicklungen und einigen überraschenden Wendungen aufwartende Fall lädt durchaus zum Miträtseln ein. Die Hauptfiguren Sally Merton und Johnny Heldar sind zwar stimmig gezeichnete Charaktere, die sehr anschaulich die Werte und gesellschaftlichen Normen der damaligen Zeit sowie die Rolle der Frauen widerspiegeln. Trotz ihrer zentralen Rolle als Ermittlerduo bleiben sie jedoch erstaunlich blass und eindimensional, so dass es schwer fällt sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Sally ist eine intelligente, selbstbewusste junge Frau, die bereits mit einigen Konventionen ihrer Zeit bricht, während Johnny als Juniorpartner des Antiquariats eine noch eher traditionelle Haltung vertritt. Die sich zwischen den beiden anbahnende Liebesgeschichte soll für romantische Spannung sorgen, wirkt allerdings etwas aufgesetzt und wenig überzeugend. Entsprechend sind auch die zahlreichen Nebenfiguren eher oberflächlich angelegt. Dank der beharrlicher Vorgehensweise, ihrer guten Beobachtungsgabe und cleveren Schlussfolgerungen gelingt es dem ungleichen Ermittlerduo schließlich, den Fall und die Hintergründe aufzuklären. FAZIT Solider Auftakt einer wiederentdeckten britischen Krimiklassiker-Reihe, die uns ins faszinierende London der 1950er Jahre entführt! Eine beschauliche Reise in die Welt der antiquarischer Buchhandlungen und klassischen Kriminalliteratur mit tollem nostalgischen Charme, aber mit einigen Schwächen in Charakterzeichnung und Spannungsentwicklung – eher für Liebhaber gemächlich erzählte Whodunit aus Großbritannien!