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schnaeppchenjaegerin

Posted on 18.9.2024

Charly Benz ist 43 Jahre alt und arbeitet im Marketing eines veganen Berliner Startups. Sie hatte noch nie eine richtige Beziehung und bis auf ihre Schwester Sybille und Herrn Schabowski, den sie dafür bezahlt, dass er ihre Post öffnet, keine nennenswerten Kontakte. Herrn Schabowski, der durch ihre wöchentlichen Konsultationen zu einem väterlichen Freund geworden ist, erzählt sie von ihrem Leben, von ihrem Scheitern und ihren Beziehungsproblemen. Herr Schabowski hört ungläubig zu und kann nicht verstehen, dass Charly so tiefstapelt und sich als Karikatur ihrer selbst darstellt. "Mon Chéri und unsere demolierten Seelen" klingt so vielversprechend, geistreich und originell, aber die Geschichte kann mit dem Titel nicht mithalten. Der einzige rote Faden des Romans ist, dass Charly erzählt. Sie textet jeden Menschen zu, dem sie begegnet, egal ob es ihr PostEngel, ihre Schwester, ein flüchtig bekannter Kulturjournalist, ein Nachbar oder der Verkäufer im Späti ist. Keiner ist vor ihren mehr oder weniger interessanten geistigen Ergüssen sicher. Dabei sind ihre Monologe, die von vergangenen Peinlichkeiten handeln oder ein Unwissen offenbaren, zum Fremdschämen. Da ist es auch kein Wunder, dass Charly bisher jeden potentiellen Freund in die Flucht geschlagen hat. Darüber hinaus reihen sich die kurzen Kapitel häufig zusammenhanglos aneinander. Es erfolgen wirre Zeitsprünge oder es ist im ersten Moment gar nicht klar, ob Charly gerade wieder in Erinnerungen schwelgt und wem sie diese erzählt oder ob es sich um ein gegenwärtiges Geschehen handelt. Nach gut der Hälfte nimmt der Roman eine andere Richtung. Konnte man bisher geteilter Meinung über die Art von Humor sein, wird die Geschichte mit einer überraschenden Schwangerschaft und einem nahenden Tod noch absurder. Der Aufenthalt in Bad Gastein ist dann vergleichsweise langweilig und konträr zur bisherigen irrsinnigen Handlung. Kein Charakter kann in seiner Darstellung überzeugen. Charly wirkt als 43-jährige erfolgreiche Werbetexterin, für die Begriffe wie Duckface und Hashtag Fremdwörter sind und die auch mit ihrem Zyklus wenig anfangen kann und keinen Gynäkologen hat, lebensfremd. Ihre Sexualpartner, die sie warum auch immer plötzlich hat, bleiben blass und austauschbar. Ich hatte eine Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft und eine ulkige Einsiedlerin erwartet und stattdessen einen wirren Lebenslauf einer beziehungsunfähigen Außenseiterin bekommen, die sich selbst das Leben schwermacht und mit ihren Marotten abschreckend wirkt. Charlys Philosophieren ist so überspitzt dümmlich dargestellt, dass es einfach nicht mehr komisch ist. Vielleicht muss man, um ihre demolierte Seele zu verstehen, die ein oder andere Packung kirschschnapsgetränkte Mon Chéri essen.

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