Marius
Was für ein Leben - beziehungsweise was für eine Version davon stimmt denn nun? Mit dieser Frage sehen sich die LeserInnen bei der Lektüre von Peter Manns "Der Ire" konfrontiert. Denn darin gibt es gleich zwei Versionen eines Lebens zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zu lesen. Nummer 1 wäre das Tagebuch von Adrian de Groot, der im Dienste der Abwehr Proinnsias Pike aus spanischer Gefangenschaft heraus als Agenten für die Nazis anwerben sollte, um mithilfe seiner Kontakte und seiner Arbeit die Iren zum Aufstand gegen die oppositionellen Engländer zu motivieren. Version zwei schildert im passagenweise fast comichaften Ton die Abenteuer des Finn McCool in den Eingeweiden Teutoniens. Auch hierbei handelt es sich um Proinnsias Pike, der hier aus anderer Perspektive auf seine Abenteuer im Deutschland blickt, das um ihn herum immer mehr in Trümmer zerfällt. "Der Ire" besitzt eine spannende Ausgangslage und überzeugt in Sachen historischem Wissen durch die tief in den Text eingewobene Kenntnis der damaligen Militaria, Kultur, Gepflogenheiten etc. Für einen Amerikaner, noch dazu so jung, durchaus bemerkenswert - und das auch noch als Debütroman. Auf der literarischen Ebene ist "Der Ire" allerdings nicht ganz so überzeugend. Denn obschon es sich um zwei völlig unterschiedliche Manuskripte handeln soll, die in den Trümmern eines zerstörten Hauses in Schöneberg gefunden wurden, ähnelt sich der Erzählton auf lange Sicht dann doch zu sehr, als das man wirklich von unterschiedlichen Dokumenten sprechen könnte. Auch ist mir die sexuelle Komponente in den beiden Versionen etwas zu überreizt und verfehlt damit etwas ihre Wirkung. Davon abgesehen ein solider, in Sachen zeitgeschichtlichem Kontext sogar sehr guter Spionageroman, den Peter Mann hier vorgelegt hat.