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„...Maria verließ als Letzte den Hörsaal. Sie blieb auf den Flur am Fenster stehen und blickte auf die Sonnenstraße hinaus, auf der an diesem trüben und kalten Nachmittag nur wenig Betrieb herrschte...“ Mit diesen Zeilen beginnt ein spannender historischer Roman. Wir schreiben das Jahr 1893, als Maria an der Münchner Gebäranstalt ihre Ausbildung zur Hebamme macht. Der Schriftstil ist gut ausgearbeitet. Er bringt die Gefühle der Protagonisten auf den Punkt und lässt mich die Zeitverhältnisse hautnah erleben. Nach Abschluss ihre Ausbildung arbeitet Maria für kurze Zeit bei einer Münchner Hebamme. Doch sie muss sich entscheiden, ob sie in ihr Heimatdorf zurückkehren will. Max, ihr Jugendfreund und Sohn des Bürgermeisters, hat sich dafür eingesetzt, dass sie dort eine Stelle erhalten könnte. Die gegenwärtige Hebamme Alma ist nicht mehr die Jüngste. Maria ist ein Findelkind. Das hat ma nsie im Dorf immer wieder spüren lassen. Wird man sie nun als Hebamme akzeptieren? Maria entscheidet sich, es im Dorf zu versuchen. „...Maria hatte das Zuhäusl vom ersten Moment an ins Herz geschlossen, so viel Platz hatte sie niemals zuvor in ihrem Leben gehabt, Das Erdgeschoss war in die Wohnstube, eine kleine Speisekammer, und ein weiteres Zimmer, das Maria als Behandlungszimmer nutzen wollte, aufgeteilt...“ Der Anfang ist schwierig. Als sie zu ihrer ersten Patientin gerufen wird, sind sie und das Kind schon tot. Das sorgt für Getratsche im Dorf. Dann aber entbindet ie die Herrin vom Schloss von Zwillinge. Im Dorf scheiden sich die Geister. Vor allem junge Frauen rufen Maria, während viele Ältere weiter an Alma festhalten. Die sieht auch nicht ein, dass sie sich zur Ruhe begeben soll. Außerdem legt sich Maria mit dem Pfarrer an. Dessen Forderungen sind mit Hygiene am Geburtslager nicht in Einklang zu bringen. Deutlich wird, wie schwer es ist, alte Zöpfe abzuschneiden. Glücklicherweise steht der junge Arzt ihr zur Seite. Wenig hilfreich ist auch, dass Maria beim Anblick von Max plötzlich tiefe Gefühle in sich spürt. Sie sind wie Bruder und Schwester aufgewachsen und Max hat Annemarie geheiratet, die Frau, die sein Vater für ihn ausgesucht hat. Annemarie ist schwanger. Maria warnt sie vor Alkohol. In Bayern sah man das schon damals gelassen. „...Bier wird hier bei uns doch dauernd getrunken, so mancher Säugling kriegt schon den Schaum ins Mündchen geschoben. Bayrische Kinder sind da abgehärtet...“ Die Autorin versteht es, die Lebensweise auf den Dorf mit all ihren Regeln lebendig zu beschreiben. Das Dorfgetratsche ist manchmal ganz schön heftig und nimmt selten Rücksicht auf die Wahrheit. Immer wieder zweifelt Maria an ihrer Entscheidung. Für viele ist und bleibt sie der Bankert. Sie fragt sich, ob ihre Mutter sie nicht wollte. In der Münchner Gebäranstalt hatte sie nur mit ledigen Müttern zu tun. Dort hat sie unterschiedlichste Reaktionen erlebt. Ab und an Blitzt Marias trockener Humor auf. „...Also nach meinen Erfahrungen sind Kindern, die auf die Welt kommen möchten, Almabtriebe und Tanzabende völlig egal...“ Die Freude über jede gelungen Geburt wird spürbar vermittelt. Doch es gibt auch die schweren Stunden in diesem Beruf. Das Buch hat mir sehr gut gefallen.