schnaeppchenjaegerin
Marnie ist 38 Jahre alt, seit einigen Jahren geschieden und arbeitet von zu Hause aus als Lektorin. Sie hat sich von Freunden, die inzwischen verheiratet sind und Kinder haben, zurückgezogen und mit dem Alleinsein arrangiert, gesteht sich aber ein, einsam zu sein und möchte dies ändern. Michael ist 42 Jahre alt, lebt in Trennung und ist Erdkundelehrer. Voller Leidenschaft versucht er seinen Schülern die Natur nahe zu bringen und geht selbst am liebsten allein wandern, weil er das leere Zuhause nicht aushält. Als er wieder eine Tour geplant hat, überredet ihn seine Freundin Cleo zu einer Wanderung und trommelt ein paar Freunde u.a. Marnie zusammen. Aus der geplanten Wanderung zu siebt, wird eine Wanderung zu fünft und schon nach zwei Tagen sind Michael und Marnie zu zweit unterwegs. Bei typischem englischen Wetter, Übernachtungen in Unterkünften, die mal mehr, mal weniger charmant sind, kommen sich die beiden nach anfänglicher Skepsis näher. "Zwei in einem Leben" ist in mehrere Abschnitte untergliedert, die die Route von der irischen See zur Nordsee illustriert beschreiben. Darüber hinaus ist der Roman in kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Perspektive von Marnie beziehungsweise Michael geschildert. Beide Charaktere sind individuell gestaltet und sehr lebendig beschrieben. Durch die Gedanken, die sie sich in einsamen Stunden oder im Umgang mit anderen machen, durch die lebhaften Dialoge und besonderen Eigenheiten, werden sie bildhaft vorstellbar. Es fällt leicht, sich in die Middleager hineinzuversetzen, die nach gescheiterten Beziehungen Probleme haben, sich auf neue Menschen einzulassen und als kinderlose Singles in einer Gesellschaft mit Paaren vereinsamen. Dennoch ist die Lektüre trotz (psychischer) Probleme, grauem Wetter und sogar einem Todesfall auf der Strecke nicht betrüblich, sondern durch die witzigen inneren Monologe und Gespräche unter einander abwechslungsreich und unterhaltsam. Trotzdem werden die Schwierigkeiten, die die Figuren haben, nicht leichtfältig aufgezählt, sondern einfühlsam und mit der notwendigen Tiefe behandelt. So erfolgt auch die Annäherung zwischen Marnie und Michael realistisch nur ganz allmählich, sie öffnen sich je weiter sie gehen einander und werden zu Freunden auf einem gemeinsamen Weg. Die Entwicklung ist authentisch, letztlich vorhersehbar und dennoch entwickelt sich eine gewisse Spannung, da die beiden weiterhin zurückhaltend sind, sich schwer damit tun, Gefühle zu zeigen und ungewiss ist, wie es nach der Wanderung, die neben Freundin Cleo das einzig verbindende Element ist, mit den beiden weitergehen wird. Der Roman ist voller Wortwitz und treffender Metaphern, geistreich und unangestrengt unterhaltsam. Wer jedoch eine allzu romantische und berührende Liebesgeschichte wie "Zwei an einem Tag" erwartet, wird möglicherweise enttäuscht sein. Neben den Auswirkungen der Pandemie und der Verrohung der Gesellschaft geht es um einen Weg aus der Komfortzone, um Selbstreflexion und eine erwachsene Liebe, die vorsichtig verhalten statt leidenschaftlich ist.