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anni_anushka

Posted on 28.8.2024

Als "Kleines Monster" geboren oder zum "Kleinen Monster" gemacht? Pia und Jakob werden zum Elterngespräch zitiert. Es habe einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben und ihr Sohn Luca soll der Schuldige sein. Pia kann es nicht glauben, während Jakob keinen Zweifel hegt, die Sache aber scheinbar auch recht schnell abhaken kann. Pia hingegen ist verzweifelt, weil das Kind nicht reden will, dabei braucht sie doch so dringend eine andere Perspektive auf das Geschehene. Dann merkt Pia, dass sie direkt aus der WhatsApp Gruppe ausgeschlossen worden sind, damit die anderen Eltern hinter ihrem Rücken über sie reden können. Sie fühlt sich wie eine Ausgestoßene und gleichzeitig misstrauisch beäugt ... so wie damals. Das ominöse Vergehen Lucas, das bis zum Ende des Buches für die Lesenden nie ausgesprochen wird, triggert in Pia die Erinnerungen an die eigene Kindheit. Ein Trauma, das durch den Tod der kleinen Schwester zurückgeblieben ist und durch das Schweigen der Eltern nie aufgearbeitet wurde. Und auch hier kämpft Pia vor allem mit der Ungewissheit. Diejenige, die nicht bei dem Vorfall dabei war, und so niemals Gewissheit darüber haben wird, was eigentlich genau passiert ist. Sie rollt das Misstrauen gegenüber der mittleren Schwester Romi auf, die eigentlich ja gar nicht so richtig zur Familie gehört, so als Adoptivkind. Sie beleuchtet Szenen von davor und danach, die ihr Bild zu bestätigen scheinen, dass Kinder grausam sein können. Stück für Stück rollt sie dabei aber auch eine dysfunktionale Familiendynamik auf, die jetzt auf ihr eigenes Erzeihungsverhalten überzuschwappen und die Beziehung zu ihrem eigenen Kind zu zerstören droht. Die Beklemmung greift beim Lesen regelrecht über und man möchte geradezu eingreifen, wenn Pia wieder in ihr Misstrauen gegenüber ihrem eigenen 7-jährigen Kind abgleitet und mit Argusaugen nach verräterischen Anzeichen Ausschau hält. Können Kinder von Natur aus böse sein? Sie vermeint, Ähnlichkeiten zwischen Luca und Romi zu erkennen und hat nicht ihre eigene Mutter immer wieder Romi für den Tod der kleinen Schwester bestraft? Das muss doch gerechtfertigt gewesen sein? Wie Pia dieses Verhalten ihrer Mutter zunehmend an ihrem eigenen Kind nachahmt, ist beim Lesen schwer erträglich. Die Geschichte beginnt als alltägliche Familiengeschichte und wird zunehmend düsterer und beklemmender. Die Wirkung transgenerationaler Traumata ist sehr eingängig nachgezeichnet. Ich schwanke allerdings, ob mich Lucas Vergehen als Auslöser komplett überzeugt. Zumindest die Eskalation der Handlung erschien mir am Ende etwas übertrieben und nicht ganz realistisch. Insgesamt ist die Geschichte aber atmosphärisch, sprachlich überzeugend und anschaulich und die Problematik mit psychologischem Tiefgang und Feingefühl erzählt.

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