marcello
Nachdem es in diesem Frühjahr bei Netflix eine Serienadaption zu „Zwei an einem Tag“ gegeben hat, ist mir der Name David Nicholls nochmal richtig in Erinnerung gerufen worden. Ich habe ihn tatsächlich nach seinem riesigen Erfolg etwas aus den Augen verloren, aber die Serienadaption hat mich eindeutig noch einmal darin bestätigt, dass „Zwei an einem Tag“ damals wirklich etwas Besonderes war. Nun ist „Zwei in einem Leben“ mit dem Titel ganz eindeutig auch von Marketing her eine Verbindung dazu und deswegen war es für mich jetzt an der Zeit, noch einmal bei Nicholls zuzuschlagen. Auch wenn „Zwei an einem Tag“ schon sehr lange her ist, dass ich das Buch gelesen habe, so habe ich doch gleich einiges in „Zwei in einem Leben“ wiederentdecken können. Das sind eindeutig eckige und kantige Figuren, die viele ungewöhnliche Details mitbekommen und damit nicht sofort nahbar sind, die aber dadurch gleich im Kopf bleiben und sich langsam entfalten können. Aber es ist sicherlich auch der Humor, der Hang zu Monologen bei der Frauenfigur. Also es war definitiv so, dass ich für mich sagen konnte, ja, wo Nicholls drauf steht, da ist er auch drin. Ansonsten sind es aber dennoch zwei sehr unterschiedliche Geschichten. Während „Zwei an einem Tag“ einfach diesen besonderen Kniff hatte, dass eine Geschichte über einen speziellen Juli-Tag hinweg erzählt wurde, hat „Zwei in einem Leben“ diesen speziellen Faktor nicht. Dennoch ist sich mit der Aufmachung Mühe gegeben worden, weil die Karten, die den Wanderweg für den jeweiligen Tag zeigen, eine nette Idee ist, um sich bei entsprechendem Interesse selbst kundig zu machen, sich einen Atlas hinzuziehen etc. oder wenn man selbst schon in der Gegend war, sich zu orientieren. Abseits davon ist es aber eine gewöhnliche Liebesgeschichte. Wobei Liebesgeschichte auch ein Begriff ist, den ich für „Zwei in einem Leben“ erst auf zweiter Ebene sehen würde. Denn für Marnie und Michael ist es jeweils keine Liebe auf den ersten Blick, dafür sind beide auch noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, weil sie ein großes Kapitel aus der Vergangenheit noch nicht beschlossen haben. Deswegen sind die ersten Begegnungen und Kontakte auch eher von Skepsis und Vorurteilen geprägt. Dann kommt hinzu, dass Marnie und Michael eben sehr speziell mit einigen Eigenschaften sind, so dass es auch wenig zu einer romantischen Stimmung beiträgt. Deswegen habe ich es lange so empfunden, dass der Wanderweg in erster Linie wirklich eine Selbstfindung war und die Liebe dann eher zufällig noch aufgesprungen ist. Dass zwischen Marnie und Michael nicht sofort eine Chemie war, hat das Buch an einigen Stellen für mich etwas zäh gemacht, was ich schade fand. Teilweise waren die inneren Monologe auch sehr lang. Ich musste mich also wirklich erst bewusst davon verabschieden, nicht in erster Linie eine Liebesgeschichte zu haben. Mit einer etwas anderen Einstellung war es eindeutig auch leichter, Marnie und Michael für sich schätzen zu lernen. Marnies missbräuchliche Beziehung, die sie in einem sehr langen Gespräch mit Michael aufarbeitet, hat mich durchaus berührt, weil viele Menschen in solchen Beziehungen feststecken bleiben, auch weil sie glauben, dass sie es verdient haben und es da draußen nichts anderes gibt. Bei Michael wiederum ist es eine schleichend zu Ende gegangene Beziehung, bei der im Urkern aber vieles stimmte, so dass es ihm dementsprechend schwer gefallen ist, loszulassen. Es war auf jeden Fall gut, dass sie sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben und dennoch Verständnis füreinander zeigen konnten, auch weil sie letztlich der Wunsch nach Zweisamkeit geeint hat. Auch wenn die irgendwann sich im Spiel befindenden Gefühle für mich etwas zu abrupt kamen, aber ich fand das letzte Viertel noch einmal mit am stärksten. Da war dann doch das Hinfiebern, dass es diese beiden packen. Fazit: „Zwei in einem Leben“ ist einerseits mit „Zwei in einem Tag“ auf stilistischer Ebene zu vergleichen, andererseits dann auch wieder nicht. Aber letztlich ist „Zwei in einem Leben“ vor allem mehr individuelle Selbstfindung und dann Liebesgeschichte. Neben zähen Passagen gibt es auch noch andere Aspekte zum Durchkämpfen, aber letztlich habe ich sehr gut Frieden mit diesem Buch schließen können.