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marcello

Posted on 19.8.2024

Auch wenn das Cover von „Verbrannter Gnade“ sicherlich optisch etwas ist, an dem man unschwer vorbeikommt, so hat mich zu dem Krimidebüt von Margot Douaihy mehr die Thematik hingezogen und da ist das Thema Glauben. Sich zu seinem Glauben zu bekennen, ist oftmals schon ein großer Akt der Überwindung, auch weil es stereotyp oft mit einer starren Kirche verbunden wird, was spätestens seit Aufdeckung von Vertuschen von Missbrauchsfällen noch einmal gewaltiger geworden ist. Dementsprechend hatte ich gleich im Gefühl, dass Schwester Holiday vielleicht einen modernen Blick darauf wirft. Dazu ist das Genre Krimi bei mir nie zu verachten, so dass ich gerne zugegriffen habe. Ich habe Schwester Holiday durch Gisa Flake kennengelernt, die im Hörbuch zu ihrer Stimme wird. Auch wenn der Eindruck jetzt natürlich auch auf Stereotypen beruht, aber das, was ich inhaltlich zu Schwester Holiday bekommen habe, das hat für mich Gisa Flake sehr gut aufgefangen. Die Stimmfarbe hat da echt gut gepasst. Sie ist etwas rotzig und rauchig, aber dennoch voller Emotionen, was zur Protagonistin passt, die sich sicherlich eine harte Schale zugelegt hat, aber durchaus viele weiche Seiten hat. Die Stimme war für das Hörbuch also der Jackpot, aber ich fand „Verbrannte Gnade“ als Hörbuch zu konsumieren, dennoch stellenweise etwas schwierig. Hauptgrund ist da vor allem, dass Schwester Holiday sich oft in der Vergangenheit verliert. Wer weiß, wie das in der gedruckten Version rüberkommt, aber so vorgelesen fand ich die Übergänge oft so fließend, dass ich kurz irritiert war, wo in der Handlung wir uns gerade befunden. Stellenweise passiert das auch in spannenden Szenen und schwupps sind wir beim Bruder, Eltern oder Nina. Das war durchaus an einigen Stellen irritierend. Aber es war für mich nicht nur aus Hörersicht komplizierter, sondern auch inhaltlich habe ich mich öfters gefragt, ob die Rückblicke wirklich in diesem Ausmaß sein mussten. Natürlich helfen sie, um Holiday als Figur besser zu begreifen, vor allem in einem Leben, als sie noch keine Nonne war. Gleichzeitig hatte auch der Klappentext schon prophezeit, dass sich Holiday ihrer Vergangenheit stellen muss, um den Fall zu knacken. Das klang ja eigentlich nach einer sinnigen Verschränkung, aber so habe ich es letztlich nicht bestätigen können. Wenn die Autorin tatsächlich plant, weitere Bücher zu schreiben, vielleicht hätte man sich manche Aspekte aufheben können, aber so war es zu viel Vergangenheit ohne konkrete Zielrichtung. Insgesamt lässt sich für mich urteilen, dass ich die Grundidee echt gerne mag. Sie ist anders, sie hat durch New Orleans auch ein spannendes Setting, dem sich authentisch gewidmet wird. Auch hat Holidays Art, wie sie ermittelt, genau die richtige Mischung aus Professionalität und ungeschickt in Fettnäpfchen treten. Es ist also vieles vom Papier her da, was auf jeden Fall rechtfertigt, eine solche Geschichte zu wagen. Doch es hat noch gewisse Anlaufschwierigkeiten. Der Erzählstil verliert sich zwischendurch zu sehr in Nebensächlichkeiten und ist damit eine Gefahr, den ein oder anderen ganz zu verlieren, aber ansonsten auch einen konsequenten roten Faden anzubieten. Letztlich ist der Fall sicherlich in der ganzen Struktur nichts, was man noch nie gelesen hätte und er ist auch nicht übertrieben vielschichtig angelegt. Aber für diese konkrete Erzählidee reicht es für mich auch vollkommen. Zudem finde ich auch, dass der Täter auch nicht sofort ersichtlich war, dementsprechend gab es eine angemessene Auswahl an Kandidaten und gerade die Beweisverschleierung war auch gut gewählt. Mir war zwar der Personenkreis sehr früh klar, aber letztlich habe ich lange genug miträtseln und mitfiebern können. Insgesamt sind die Figuren alle speziell, was ideal passt. Es sind die Schwestern mit ihren Eigenarten, aber natürlich auch die Schüler und die sonstigen Angestellten an Schule/Kloster. Holiday pflegt anerkennende/verschwörerische Beziehungen, aber gleichzeitig auch einige Fehden und dennoch war es keinesfalls so, dass man sich nur bei den Fehden nach Verdächtigen umsehen musste. Die echten Ermittler von Polizei und Brandinspektion waren genauso keine aalglatten Figuren, dementsprechend war alleine auf der Charakterebene doch viel los. Einige Beziehungen sind sicherlich für die Zukunft auch etwas, was die Autorin im Hinterkopf behalten sollte. Wenn ich jetzt noch an den Glaubensaspekt denke, dann muss da noch mehr kommen. Mir gefällt es, in welcher Bandbreite Holiday ihren Glauben auslebt, da sehe ich auch bei mir selbst ein großes Feld, was also passt. Aber ich will dazu noch mehr in ihre Gedankenwelt einsteigen. Hat sie einfach nur etwas von ihrer Mutter übernommen, um sie zu ehren? Und wie sieht sie die Welt, denn die anderen Schwestern sind doch deutlich strenger in ihren Überzeugungen und dennoch fühlt sich Holiday in der Gruppierung wohl. Da ist also noch einiges offen, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass man das in weiteren Bänden noch näher ergründet. Wenn nicht, dann wäre Schwester Holiday als Figur zu austauschbar. Dann könnte sie auch jeden anderen Beruf haben. Fazit: „Verbrannte Gnade“ ist ein Auftakt, der noch nicht ideal funktioniert, aber durchaus genug Potenzial für die Zukunft aufzeigt. Das Setting und die Art, wie Schwester Holiday ermittelt, das stimmt für mich. Der Fall war zwar nicht komplex, aber es passte alles. Aber der Schreibstil war noch etwas zäh und von zu vielen Rückblenden untermalt, die den Lesefluss unterbrochen haben. So peppig wie Schwester Holiday auf dem Papier wirkt, so braucht die gesamte Handlung noch mehr Pepp.

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