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magineer

Posted on 18.8.2024

Return of the Thriller Queen Natürlich gehört Karin Slaughter nun schon seit über 20 Jahren zur Speerspitze der internationalen Thriller-Autoren und dürfte zusammen mit Kathy Reichs und Gillian Flynn auch unbestritten zum amtierenden weiblichen Dreigestirn am Genrehimmel gehören. Seit achtzehn Büchern lässt sie nun ihre Forensikerin Sara Linton in der schwülen Hitze Georgias in den grausigsten Mordfällen ermitteln, zuerst gemeinsam mit ihrem Mann Jeffrey Tolliver in den sechs Teilen der Grant-County-Serie und später gemeinsam mit dem Ermittler Will Trent im GBI (Georgia Bureau of Investigation) im urbanen Dschungel von Atlanta. "Letzte Lügen", der zwölfte Band der Atlanta-Reihe, schließt nun scheinbar auch dieses Kapitel ab - und man durfte gespannt sein. Strukturell gestaltet sich die Handlung in "Letzte Lügen" linearer als in den früheren Fällen, was vor allem damit zu tun hat, dass das auslösende Verbrechen unsere beiden Hauptfiguren mitten auf ihrer Hochzeitsreise erwischt, in einem entlegenen Resort in den Bergen, abgeschnitten vom Rest der Zivilisation und nur mit einer Handvoll weiterer Verdächtiger (und potentieller weiterer Mordopfer) im direkten Umkreis. Ein klassisches Whodunit also, ein Murder Mystery, das aber dennoch unverkennbar Slaughters Handschrift trägt. Der Fall reißt alte Wunden auf, fördert Ereignisse und Verbindungen in der Vergangenheit zu Tage, die bislang im Dunkeln lagen und gibt sich auch sonst unerbittlich düster und ergeht sich - für die Meisterin des Blutvergießens typisch - erneut in expliziter Brutalität. Fans der Autorin wird das nicht überraschen, denn Gewalt war schon immer ein ständiger Begleiter im beruflichen und privaten Leben von Sara und Will - und Slaughter hat sich nie davor gescheut, das Böse mit schmerzhafter Offenheit und in allen Details auf ihre Figuren und Leser loszulassen, was sie letztlich auch von ihren gemäßigteren Kolleginnen wie eben den oben erwähnten Kathy Reichs und Gillian Flynn unterscheidet. Allenfalls eine (leider schon verstorbene) Mo Hayder ist in ihren Romanen ähnlich rabiat vorgegangen, und auch bei ihr waren die Meinungen dazu stets geteilt. Sei's drum, "Letzte Lügen" dreht zum Abschluss der Reihe noch einmal richtig auf, bleibt durchgehend spannend, einigermaßen logisch und psychologisch fundiert, wirkt aber dennoch immer ein bisschen zu aufgedreht für sein eher klassisches Setting. Das ist im Vergleich mit neunzig Prozent der restlichen Autoren im Thrillergenre immer noch Premiumklasse, kommt aber nie ganz an frühere Glanzlichter im Linton/Trent-Universum heran und schon gar nicht an die atemlos aktuelle Dringlichkeit in der vorhergehenden Grant-County-Serie, die immer noch Maßstäbe für den modernen, harten Südstaaten-Thriller setzt. Das ist jedoch Geschmackssache, die sich an Details entscheidet (zum Beispiel, ob man eher Will-Trent-Fan oder Jeffrey-Tolliver-Nerd ist) und reißt die Top-Bewertung nicht nennenswert nach unten. Karin Slaughter bleibt einfach das Maß aller Dinge in ihrem Bereich, und wer sich an gar zu unappetitlichen Einzelheiten nicht stört, sondern das genauso in einem morbiden Psychokrimi erwartet, wird auch das große Finale bis zur letzten der fast 600 Seiten verschlingen. Top-Tipp für den Thrillersommer!

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