anne_hahn
„Meine Lunge pumpt wie wild. Ich will nie aufhören zu rennen, bis in alle Ewigkeit will ich das Brennen in meinen Bauchmuskeln und das Ziehen in meiner Kehle spüren, will mit meinem nackten Elfjährigenkörper unter den Sternen dahinjagen, so anmutig und schnell wie ein Reh im Wald.“ Das ist ein Buch, das einen nicht so leicht loslässt. In einer überwältigend schönen Szene erfahren wir anfangs von einem Kind, das mit seinem angetrunkenen Vater eine Party crasht. Beide flitzen um den Pool und durch den Garten, in dem die Mutter eine Spendenparty mit wichtigen Leuten gibt. Sie sind beide splitternackt. Jahrzehnte später wird die erwachsene Tochter Daley nach Hause gerufen, weil es dem Vater sehr schlecht geht - er ist gerade von seiner zweiten Frau verlassen worden und scheint sich zu Tode zu saufen. Die Tochter beschließt, bei ihm zu bleiben und ihn trocken zu kriegen. Dieser Teil des 400-seitigen Buches beginnt auf Seite 167 und endet kurz Schluss, es gibt noch 40 Seiten Nachschlag - die wir bitter nötig haben... Ich habe selten ein Buch gelesen, dass mich so wütend gemacht hat! Ich habe mit gefiebert und gelitten, gehofft, dass es klappen möge, mich ständig gefragt, wie ich reagiert hätte, das Buch weit weggelegt, nur um nachts aufzustehen und weiterzulesen. Wer erfahren möchte, wie ständiger Alkoholmissbrauch eine Familie schleichend zerstört und womit die Kinder sich ein Leben lang auseinandersetzen müssen, gerahmt in eine wunderbare Selbstfindungsgeschichte einer verletzten Frau, lese dieses Buch! Die Sprache ist wie immer bei Lily King poetisch, konzentriert und gnadenlos. Unbedingte Leseempfehlung!