Gabriele
Das Gedächtnis des Wassers Das Wasser hat in seinem unermüdlichen Kreislauf viel erlebt. Dem geht die Autorin in ihrem Roman nach, der zwischen 630 v.Chr. bis in die Jetztzeit spielt. Vier Personen lässt sie abwechselnd in den Vordergrund treten: Zuerst tritt König Assurbanipal aus Ninive (in der Nähe des Tigris) in Erscheinung. Er hatte bereits lange vor unserer Zeitrechnung eine legendäre Bibliothek mit 32000 Tontafeln aufgebaut, liebte die Kunst und war ein machtvoller, aber auch grausamer Herrscher. Scherben dieser Tontafeln faszinierten Arthur, der 1830 als Sohn einer Schatzsammlerin im Themseschlamm geboren wurde und den Namen >König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere< erhielt. Er hat in diesem Roman ein unglaubliches Gedächtnis, war sehr wissensdurstig und sein Lebensweg führte ihn schließlich bis nach Mesopotamien. Das Land zwischen Euphrat und Tigris war 2014 auch das Ziel von Narin und ihrer Großmutter. Beide gehören zu den Yesiden, die wegen eines geplanten Stausees aus der Heimat vertrieben und unsäglichen Grausamkeiten durch den IS ausgesetzt sind. Die in London lebende Hydrologin Zaleekhah stammt aus dem Irak und stellt immer wieder die Verbindung zum Wasser her. Das Buch beginnt ziemlich brutal, doch dann wird es unglaublich interessant. Wir bekommen Informationen über das Altertum und hören von Geschichten aus der Bibel, die schon lange vor der Niederschrift von Generation zu Generation weitererzählt wurden. Die Zeit, in der das British Museum in London Fragmente aus der Ferne bekommt und diese ausgewertet werden, regt ebenso zum Weiterrecherchieren an, wie die Jetztzeit, in der der IS die Macht übernimmt und sich zum Herrscher aufspielt. Die britisch-türkische Schrftstellerin Elif Shafak wurde im Oktober 1971 in Straßburg geboren und gehört in der Türkei zu den meistgelesenen Schriftstellern. Für mich war >Am Himmel die Flüsse< nach >Der Architekt des Sultans< und >Das Flüstern der Feigenbäume< ihr drittes Buch. In allen thematisiert sie die Vergangenheit. Sie erzählt mitreißend vom Orient und macht auf viele Probleme aufmerksam, die das Leben in der Fremde mit sich bringt. Mich hat dieses von Pegah Ferydoni eingelesene Hörbuch knappe 15 Stunden regelrecht in sich hineingezogen. Mehrmals habe ich mir gegönnt, nichts nebenbei zu tun, sondern mich ganz entspannt hinzusetzen und nur der Stimme und der außerordentlich gelungenen Geschichte zu lauschen. Das war eine tief beeindruckende Erfahrung und hat mir eine Menge Wissen vermittelt. Fazit: Ein Highlight des Bücherjahres 2024.