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Buchdoktor

Posted on 13.8.2024

Hanna und Zeyna wuchsen in den 80ern beide mutterlos auf; Hanna bei ihren Großeltern Feliza und Theo, Zeyna bei ihrem Vater Nabil. Der Dritte im Bunde war Cem, dessen Eltern ein Lebensmittelgeschäft führten. Als Erwachsene kommt die Icherzählerin Hanna zur Zeit der Corona-Pandemie in die Wohnung ihrer Kindheit und in ihr Stadtviertel zurück. Ein klassisches Arbeiterviertel, in dem damals regelmäßig der Eiswagen und der Altmetallhändler vorfuhren. Hanna glaubt, im Viertel eine kleine, dunkelhaarige Frau gesehen zu haben, daher kreisen ihre Gedanken um die Erinnerung an eine wunderbare Kindheit, die mit dem Attentat von Mölln 1992 und dem Bruch mit Zeyna nach dem 11.9.2001 endete. Die in der Schule gedisste Dreierclique mit ihren Angehörigen bildete damals eine Wahlfamilie, die einander adoptierte und in der sich besonders Nabil und Theo nahestanden. Cems Mutter Aylin und Feliza wandten sich besonders Zeyna zu, die in der Fremde aufwuchs und vermutlich von ihnen als einsamer gesehen wurde als Hanna. Hanna lebt heute in der alten Wohnung; sie könnte sich als die von allen Zurückgelassene definieren. Noch immer eifersüchtig auf Zayna, muss sie endlich realisieren, dass zwischen ihrem Aufwachsen und Zeynas ein eklatanter Unterschied bestand. Ohne Cem, schon damals das Scharnier zwischen den beiden Dramaqueens, werden Hanna und Zeyna einander wohl kaum die Hand reichen können. Rasha Khayat arbeitet mit Andeutungen eines großen Geheimnisses. Hannas durch Satzfragmente gehetzt wirkende Sprache könnte vermuten lassen, dass sie wiederholt Anlauf nimmt, bis sie endlich zum Kern des Konflikts kommt. Auch wenn ich das Kreisen um das verdrängte Geschehen als unbefriedigend empfunden habe, zeigt Rasha Khayat in ihrem 176 Seiten kurzen Roman am Beispiel der Mädchen, dass nicht alle das Gleiche benötigen, sondern jede Person das, was sie braucht.

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