Profilbild von feliz

feliz

Posted on 28.7.2024

Das Cover des Buches gefällt mir richtig gut, weil die abgebildete Person meiner Vorstellung von Moni schon sehr nahe kommt und der Titel passt aus verschiedenen Gründen ebenso gut. Die Story klingt erstmal sehr interessant: Der 16-jährige Oscar Graf von Ebersdorff ist ein Genie und will, seit er klein ist, nur eine Sache: Mathematik studieren und seine Abschlussarbeit bei Deutschlands bekanntesten Mathematiker Daniel Johannsen schreiben. Danach hat er sich auch seine jetzige Uni ausgesucht, denn schließlich lehrt sein Idol genau dort. Während alle um ihn herum schon in den ersten Wochen am Stoff verzweifeln, gefällt es Oscar, endlich wichtige mathematische Inhalte zu verstehen, wenn da seine nicht seine nervigen Mitstudenten wären. Vor allem Moni Koschinsky, die sich eines Tages einfach neben ihn setzt und die er zunächst für eine Putzfrau hält. Doch Moni versucht mit über 50, zwei Kindern und drei Enkeln noch einmal Mathe zu studieren und während Oscar jedes Mal wieder irritiert ist, welche Grundlagen ihr alle fehlen, dass sie dauernd versucht, anderen Studenten zu helfen oder ihren Enkel Kenau mit in die Vorlesung bringt, beginnt er Moni als sein persönliches Projekt zu sehen und beginnt sie zu unterstützen. Doch als Oscar an der Welt um ihn herum zu zerbrechen droht, ist es Moni, die sich um den Jungen kümmert und er beginnt zu verstehen, dass es wichtig ist, auch auf seine Mitmenschen zu achten und dass nicht alles durch Mathematik zu erklären ist. Ich liebe die Bücher von Alina Bronsky, seit ich einmal durch Zufall auf eines ihrer Bücher gestoßen bin und mich ihr Schreibstil direkt begeistern konnte. Da bildet auch dieses Buch keine Ausnahme, vielmehr hat mich die Art des Schreibens direkt in den Bann gezogen und ich habe die Geschichte innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Das liegt aber auch daran, dass ich die Charaktere nahezu ausnahmslos in mein Herz geschlossen habe, mit all ihren Eigenheiten und Schrullen. Das ist vor allem bei Oscar manchmal schwierig, weil er eben menschliche Emotionen nicht besonders gut verstehen kann und es ihn oft schlicht auch nicht besonders interessiert. In dieser Hinsicht erinnert er mich oft an den Charakter Sheldon Cooper aus der Serie Big Bang Theory, auch wenn dieser theoretischer Physiker ist und kein Mathematiker. Dadurch wirkt Oscar manchmal ein wenig zu stereotypisch, selbst wenn nie über irgendeine Diagnose oder ähnliches gesprochen wird. Außerdem war ich manchmal bei seinen Handlungen hin und hergerissen, ein paar Mal musste ich laut lachen, in anderen Situationen hätte ich ihn gerne geschüttelt, weil er kein Gespür für die Situation hatte. Durch seine spezielle Wahrnehmungsweise bleiben zudem einige Dinge offen, bei denen es mindestens Raum für Interpretation gibt. Einerseits hat mich das manchmal wahnsinnig gemacht, weil ich bestimmte Handlungsstränge gerne abgeschlossen gehabt hätte, andererseits ergibt es auch komplett Sinn, dass es Oscar überhaupt nicht interessiert, was genau vorgefallen ist, es betrifft ja weder ihn noch seine Mathematik. Obwohl ich Oscar manchmal anstrengend finde, habe ich ihn dennoch in mein Herz geschlossen, weil er dennoch immer wieder versucht zu helfen (nicht immer ist er wirklich hilfreich), wenn ihm Menschen leid tun oder sie ihm wichtig sind, was er so allerdings niemals zugeben würde. Aber auch Moni mochte ich ausgesprochen gerne, selbst wenn sie mich ebenfalls manchmal frustriert hat, vor allem wenn sie sich selbst nie so wichtig nimmt wie die Bedürfnisse anderer. In der Hinsicht ist es gut, dass sie ausgerechnet auf Oscar trifft, schließlich kümmert er sich vor allem um seine Interessen. Auch deswegen gefielen mir vor allem die Interaktionen zwischen den beiden und wenn Oscar auf Monis Familie getroffen ist. Ich musste jedes Mal laut lachen, wie er versucht, die Beziehungen untereinander und deren Handlungsweisen wie bei einem wissenschaftlichen Experiment zu verstehen und in vielen seiner Beobachtungen grandios falsch liegt. Diese Szenen alleine waren unglaublich unterhaltsam, gleichzeitig aber auch eine tolle Gesellschaftskritik, wenn deutlich wurde, wie unterschiedlich die Lebenswelten von Oscar und Moni sind, was er so gar nicht als problematisch ansieht. Alles in allem habe ich dieses Buch ebenso wie vorherige Bücher von Alina Bronsky sehr geliebt. Der Schreibstil ist unglaublich mitreißend, sodass man die Geschichte nahezu in einem Zug durchlesen konnte. Zudem unterhält die Story nicht nur grandios, sondern regt auch zum Nachdenken an, über die Ungerechtigkeiten zwischen verschiedenen sozialen Schichten, mangelnde Förderung von Frauen und/oder älteren Personen in der Wissenschaft und Machtmissbrauch innerhalb der universitären Welt. Diese Kombination macht das Buch unbedingt lesenswert, auch wenn mir persönlich das Ende vielleicht ein bisschen zu offen (vielleicht auch zu absurd) gestaltet war.

zurück nach oben