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Vom Gedächtnis des Wassers Am Himmel die Flüsse ist ein in jeder Beziehung reichhaltiger Roman. Elif Shafak erzählt in ihrer typischen bildhaften, leicht dahinfließenden Sprache in mehreren Erzählsträngen die Geschichte von drei Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und Jahrhunderten bis in die Gegenwart. Zugleich beschäftigt sie sich mit der Geschichte zweier bedeutender Flüsse, der Themse und des Tigris, und am Beispiel dieser Lebensadern erfahren wir von schrecklichen Umweltsünden, lange zurückliegenden und leider auch gegenwärtigen. Das Wasser in verschiedenster Form, seine lebenserhaltende Kraft und womöglich sein ewiges Gedächtnis, ist ein durchgängiges Thema, wie auch der Fluss der Zeit. Sie schildert bittere Armut, früher und heute, und grässliche Massaker, beginnend in grauer Vorzeit und in der Gegenwart längst nicht zu Ende. Insbesondere die Geschichte der Jesiden, deren Heimat im früheren Mesopotamien liegt, steht im Mittelpunkt. Mesopotamien, eine Wiege der Menschheit und frühe Hochkultur, war einst ein blühendes, überaus fruchtbares Land, heute ist es eine der trockensten, unwirtlichsten Regionen der Erde. Das alte Kulturvolk der Jesiden, das eine eigene Religion und überlieferte Sitten, wertvolle Erinnerungen und Kenntnisse hat, aber keinerlei schriftliche Dokumente wie Bibel oder Koran, sondern ausschließlich mündliche Überlieferung kennt, dieses Volk hat unzählige Verfolgungen und Genozide erlebt, erst vor wenigen Jahren wieder in unvorstellbarer Grausamkeit durch die Kämpfer des IS. Aber Mesopotamien war auch eine Quelle frühester Schreibkunst. Tontafeln mit Keilschrift aus Ninive haben sich bis heute erhalten und künden von einem der frühesten Heldenepen der Menschheit, dem Gilgamesch-Epos. All diese und weitere Themen sind verwoben in spannenden, teils märchenhaft erzählten, teils hoch aktuellen Lebensgeschichten, basierend auf realen Quellen. Ein wunderbares, vielschichtiges und sehr lesenswertes Werk.