Dreamworx
Die Strippenzieherin von Tinseltown 1938/39. Eve Ross ist einem Zug auf dem Weg nach Los Angeles, nachdem sie sich in New York von ihrem Verlobten getrennt und alle Brücken hinter sich abgebrochen hat. Im Speisewagen lernt sie den pensionierten Inspektor der Mordkommission, Charlie Granger, kennen, der gerade überlegt, nach dem Tod seiner Frau in LA alle Brücken hinter sich abzubrechen und zu seinem Sohn zu ziehen. Schon bald ist Charlie von Eve fasziniert, bringt sie ihn doch dazu, seine Pläne noch einmal zu überdenken. Kaum in LA angekommen, mietet sich Eve im Beverly Hills Hotel ein, wo sie auf den ehemaligen Schauspieler Prentice Symmons trifft, dessen Ruhm inzwischen verblasst ist und der seinen Kummer mit Essen betäubt. Auch er fällt schnell in Eves Bann, überlässt ihr sogar seinen Chauffeur, um die Stadt kennenzulernen. Bei einem ihrer Ausflüge begegnet Eve zufällig der jungen aufstrebenden Schauspielerin Olivia de Havilland und nimmt sich ihrer an. Die beiden werden schnell Freundinnen, und als Olivia in Schwierigkeiten gerät und Eve sogar von deren Studio als Aufpasserin engagiert wird, trommelt Eve all ihre neuen Bekanntschaften zusammen, um Olivias Ruf zu retten… Amor Towles hat mit „Eve“ eine kleine, aber feine Gesellschaftssatire vorgelegt, die sowohl mit wunderbaren Charakterstudien als auch mit einer amüsanten Story überzeugen kann, obwohl die Geschichte kaum Spannungsbögen bietet. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser nicht nur ins alte Hollywood reisen, sondern stellt ihn auch mal an die Seite von Eve, Charlie und anderer Protagonisten, wo er deren Gefühls- und Gedankenwelt genau erkunden kann. Während der Leser sich voll und ganz auf die einzelnen Personen konzentriert, baut sich im Hintergrund ein Schurkenstück in Form von Erpressung auf. Eve, die sich vorgenommen hat, ihre neue junge Freundin Olivia zu beschützen, zieht ihre bereits gemachten Bekanntschaften zusammen und macht sich mit deren Hilfe daran, den Erpressern ein Bein zu stellen. Interessant ist, wie sehr es Eve gelingt, vor allem Charlie und Prentice wieder das Gefühl zu geben, gebraucht zu werden. Beide sahen sich selbst schon als abgeschrieben und für die Gesellschaft bereits unsichtbar, doch beide leben in den ihnen zugeteilten Aufgaben völlig auf und zeigen ganz neue Gesichtszüge. Towles hat seiner Geschichte zudem eine interessante Kulisse als Hintergrund beigefügt, denn das alte Hollywood mit seinen Studios fasziniert auch heute noch. Außerdem macht er deutlich, wie damals mit jungen Schauspielerinnen verfahren wurde, die eigene Vorstellungen und Wünsche hatten. Die Charaktere sind sehr detailliert und authentisch gezeichnet, so dass der Leser sofort ein Bild vor Augen hat. Unsichtbar verfolgt er die Protagonisten bei ihren Handlungen und hofft auf einen guten Ausgang. Eves Gesicht ist durch eine einseitige Narbe gekennzeichnet und vielleicht macht dies schon neugierig auf sie. Sie umgibt etwas Geheimnisvolles, doch animiert es gerade ihre neuen Bekanntschaften, sich ihr zu öffnen. Sie spart mit Worten, gibt nicht viel von sich preis, jedoch ist alles, was sie sagt, in irgendeiner Weise genau auf den Punkt. Charlie ist ein gutmütiger Kerl, der den Polizeidienst vermisst und die Chance ergreift, wieder ins Geschehen einzugreifen. Prentice vegetiert regelrecht vor sich hin, doch mit Eves Hilfe springt er über seinen Schatten und wächst noch einmal über sich hinaus. Olivia ist noch sehr jung und unbedarft, doch durch Eve gewinnt sie an Selbstvertrauen. Aber auch Billie und weitere Protagonisten lassen ihre Fußspuren in dieser Geschichte. „Eve“ ist nicht nur eine unterhaltsame Gesellschaftssatire, sondern auch eine Geschichte über das Miteinander sowie Geben und Nehmen. Manchmal braucht es einen Schubs aus der richtigen Richtung, um dem Leben neue Würze zu geben. Genau dies wird in der Handlung immer wieder deutlich. Verdiente Leseempfehlung für ein Buch mit Tiefgang!