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*Fesselnde Romanbiografie* Die amerikanische Autorin Marie Benedict bringt uns in ihrer interessanten Romanbiografie "Das verborgene Genie" die Lebensgeschichte der herausragenden, leider heutzutage nahezu unbekannten britischen Naturwissenschaftlerin Rosalind Franklin, die mit ihren bahnbrechenden Forschungsarbeiten einen wesentlichen Beitrag zur Entdeckung der DNA-Doppelhelix-Struktur leistete – in wissenschaftlichen Kreisen jedoch keine Anerkennung für diese Leistung erhielt. Stattdessen sind die Namen von drei männlichen Forscherkollegen Watson, Crick und Wilkins im Zusammenhang mit der Strukturaufklärung unserer Erbsubstanz in die Annalen eingegangen. Im Jahr 1962 erhielten diese sogar den Nobelpreis für die Aufklärung der DNA-Struktur. Mit ihrem Roman setzt Marie Benedict ihre faszinierende Reihe über bemerkenswerte starke und talentierte Frauen fort, die häufig in ihrer von Männern dominierten Arbeitswelt diskriminiert und weniger Anerkennung als ihre männlichen Kollegen erhielten. Im Mittelpunkt steht nun mit Rosalind Franklin eine weitgehend verkannte Wissenschaftlerin und insbesondere zu Unrecht in Vergessenheit geratene Pionierin der Genetik, über deren Persönlichkeit jedoch wenig Fundiertes und viel Widersprüchliches überliefert ist. Geschickt zeichnet Benedict daher aus den wenigen bekannten Hintergrundinformationen zu Franklins Privatleben und Charakter ein beeindruckendes und durchaus plausibles Portrait, das allerdings mit vielen Annahmen und Spekulationen behaftet bleiben muss. Sehr lesenswert ist das interessante Nachwort der Autorin. Benedict versteht es hervorragend, die bewegende Lebensgeschichte und das außergewöhnliche Wirken der Wissenschaftlerin Rosalind Franklin in chronologisch angelegten Episoden sehr lebendig, authentisch und anschaulich zu schildern. Bereits in ihrer Jugend folgt sie aus einer angesehenen jüdischen Familie stammend ihren analytischen Begabungen und ihrer Leidenschaft für Naturwissenschaften. Eindrucksvoll und abwechslungsreich lässt uns die Autorin an Franklins wissenschaftlichen Werdegang teilhaben und gibt uns einen fesselnden Einblick in die damalige Welt der Grundlagenforschung. Ob nun ihre beschwerliche Studienzeit in Cambridge, ihre Zeit in Paris rund um die Röntgenkristallographie bis hin zu ihrer genialen Forschungsarbeit am Londoner King's College – Benedict gelingt es hervorragend nicht nur die komplexen Wissenschaftszusammenhänge verständlich und kompetent darzustellen, sondern auch Franklins Leidenschaft und Begeisterung hierfür nachvollziehbar zu machen. Hautnah erleben wir mit, welche vielfältigen Schwierigkeiten, Herabsetzungen und Intrigen ihr als Frau trotz aufopferungsvollem Arbeitseinsatz, enormer Entbehrungen und brillanter Ergebnisse in der gnadenlosen Wissenschaftswelt begegneten. Durch die gelungene facettenreiche Charakterzeichnung dieser talentierten, ehrgeizigen, eigensinnigen und passionierten Wissenschaftlerin werden auch ihre Stärken und Schwächen, ihre Höhen und herben Enttäuschungen für uns greifbar, auch wenn die Protagonistin als Ich-Erzählerin glaubhaft aber bisweilen etwas zu distanziert wirkt. Es ist insbesondere sehr fesselnd, die Entwicklungen rund um die Entschlüsselung der DNA-Struktur mit zu verfolgen, bei denen ihre Analysen zentrale Rolle spielten und die Grundlage für das später nobelpreisgekrönte Doppelhelix-Modell von Watson und Crick darstellten. So fanden ihre spektakulären Forschungsergebnisse zur Strukturaufklärung kaum Anerkennung und wurden von ihrem Chef an weitere DNA-Forscher heimlich weitergegeben, die schließlich sämtliche Lorbeeren einheimsten ohne auf ihren bedeutenden Beitrag Bezug zu nehmen. Später widmete sie sich der Erforschung des Tabakmosaikvirus. Sehr bewegend ist auch ihre Krebserkrankung im Alter von nur 37 Jahren und ihr viel zu früher Tod an Eierstockkrebs, der möglicherweise mit der hohen Strahlenbelastung bei ihrer Forschung in Zusammenhang stand. Mich hat diese Romanbiografie dazu angeregt, mehr über die faszinierende Forschungsarbeit dieser viel zu früh verstorbenen Wissenschaftlerin zu recherchieren! FAZIT Eine fesselnde und lesenswerte Romanbiografie und eine gelungene Hommage an eine Pionierin und zugleich an alle Frauen, deren besondere Leistungen im Wissenschaftsbetrieb viel zu wenig gewürdigt und viel zu oft in den Schatten gerückt werden!