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leseratte_sasi

Posted on 4.6.2024

Mit Freundschaft und Liebe kann so manches Hindernis überwunden werden….…. Und davon gibt es im Leben von Jürgen genug, denn Jürgen ist nicht nur einer der Hauptcharaktere der Geschichte, sondern er sitzt auch im Rollstuhl und dadurch unterscheidet sich das Buch schon mal von den meisten. Nicht nur dass man das Leben und den damit verbundenen Hindernissen, einer Person mit Einschränkungen kennenlernt, nein die Geschichte schafft Verständnis und noch wichtiger lädt zum Nachdenken ein. Allein zu Beginn habe ich mal darüber nachgedacht an wie viele Bücher ich mich erinnern kann, bei der ein Mensch mit Behinderung mitspielt, geschweige denn dass es der Hauptcharakter ist. Es war tatsächlich nur eins, ein sehr neues und es war nicht wie hier eine Gehbehinderung, sondern eine Sprachbehinderung. Das zeigt, dass Inklusion zwar langsam auch in Büchern beginnt, aber wir noch sehr hinterherhinken. Eigentlich sollte es total normal sein, sodass es nichts „Besonderes“ ist, schließlich gehören Menschen mit Behinderung genauso zum Leben wie gesunde Menschen, und Tessa Hennig zeigt in ihrem neuen Roman „Verliebt über beide Räder“ wies geht, da können sich andere Autoren und Autorinnen ein Beispiel daran nehmen. Wie bereits erwähnt ist Jürgen einer der Hauptcharaktere dieser Geschichte. Er zieht gerade in eine neue Wohnung in Freiburg ein und begegnet dort seiner Nachbarin Marlis. Marlis macht leidenschaftlich gerne Yoga und gibt sogar Kurse im Seniorenstift, auch hat sie nach ihrer Scheidung den Männern abgeschworen. Daher genießt sie ihr Zusammenleben mit ihrer Enkelin Jana, die zum Thema „Perfekte Beziehung“ promoviert. Eigentlich müsste sie daher eine Expertin auf dem Gebiet sein, jedoch ist auch sie trotz eines umfangreichen Wissens in diesem Themengebiet single. Nachdem Marlis erfahren hat, dass Jürgen nach Spanien and die Costa Blanca fahren will, bietet sie spontan ihre und Janas Hilfe an, aber natürlich auch weil Gratisferien ein guter Anreiz sind. In Spanien angekommen merkt Marlis schnell, dass Jürgen wohl noch andere Gründe für die Reise zu haben scheint und auch das Haus scheint offenbar nicht ihm zugehören. Marlis will unbedingt herausfinden, was es mit der Reise auf sich hat, warum wollte Jürgen wirklich an die Costa Blanca. Währenddessen verliebt sich Jana in einen Kerl mit Porsche, der so gar nicht in ihre wissenschaftlichen Studien passt. Die Geschichte nimmt ihren Lauf und es werden so einige Geheimnisse aufgedeckt, ob da noch Platz für die Liebe ist? Für mich ist es nicht das erste Buch von Tessa Hennig, weshalb ich mich sehr gefreut habe, als ich gesehen habe, dass es einen neuen Roman gibt, gehören ihre Bücher doch immer zu meinen Jahreshighlights Der Klappentext hat mich diesmal besonders neugierig gemacht, was wohl daran liegt, dass Tessa etwas Neues wagt und eine behinderte Hauptfigur geschaffen hat, etwas erfrischend Anderes, denn auch wenn man als Leser nach kurzer Zeit Jürgens Behinderung meist ausblendet, weil sein Charakter einfach viel präsenter ist, schafft die Autorin mit ihm als Protagonist neue Möglichkeiten und Perspektiven in einer Handlung. Die Handlung ist wie gewohnt locker leicht, in sonniger Urlaubsatmosphäre. Wer die Autorin kennt, weiß was ihn erwartet, eine Geschichte in der Liebe ihren Platz hat, ohne zu arg im Vordergrund zu stehen, daneben gibt es aber auch Freundschaft, Familie und das ein oder andere Geheimnis und natürlich eine ordentliche Portion Humor, sodass das Lachen nicht zu kurz kommt. Ich finde durch die Mischung, erlebt man die unterschiedlichen Emotionen als Leser intensiver, da nicht der Fokus monoton auf einer Gefühlslage liegt. Ich habe mit den Charakteren gelacht, gehofft, gelitten und mich mit ihnen gefreut, fast so als wären es gute Freunde (was sie eigentlich auch im Laufe der Handlung geworden sind) und das ist für mich ein wichtiges Merkmal eines guten Buches und Tessa Hennig schafft dies besonders gut. Der Schreibstil ist nicht zu kompliziert und lässt sich daher leicht und flüssig Lesen und passt damit hervorragend zum Setting an der Costa Blanca, versprüht er doch die dortige Lebenseinstellung. Es wurden viel zu schnell immer weniger Seiten und das Ende kam viel zu schnell, aber die Autorin hat mich regelrecht an das Buch gefesselt, sodass ich am liebsten gar nicht mehr aufgehört hätte. Dennoch war es spannend und emotional bis zum Schluss und auch wenn ich das Ende erhofft und auch ein bisschen erahnt habe, hat mich die Handlung doch mehrmals überraschen können. Und leider muss aber eben auch jedes Buch einmal zu Ende sein und hier ist das Ende genau richtig gewählt, denn es wird nichts unnötig in die Länge gezogen, die Handlung ist nun mal zu Ende, auch wenn mir als Leser die Charaktere so sehr ans Herz gewachsen sind, dass ich noch so viel mehr über ihr Leben erfahren hätte. Ich habe gleich erkannt mit welcher Liebe zum Detail die Autorin die Charaktere kreiert hat, bin aber auch nichts anderes von ihr gewohnt. Es sind liebevolle Menschen, die so ihre Ecken und Kanten haben, wie es eben im richtigen Leben auch ist, daher würde es mich nicht überraschen das Dreiergespann Marlis, Jana und Jürgen an der Costa Blanca zu treffen, erscheinen mir sie doch so real. Marlis liebt nicht nur Yoga sondern hilft auch gerne Menschen, wodurch ihre Warmherzigkeit präsentiert wird. Sie zögert nicht ihrem neuen Nachbarn zu helfen (auch wenn sie natürlich auch ihren eigenen Nutzen von der Reise erkennt), wirkt dabei aber nicht übergriffig oder gar zu übereifrig als hätte sie das Helfersyndrom. Ihr nimmt man ihre Nächstenliebe einfach ab und auch Jürgen, der zwar zunächst nicht so sehr von seiner neuen Nachbarin begeistert ist, erkennt ihre liebevolle Art und da er keine andere Wahl hat begibt er sich mit ihr auf die Reise. Während ich Marlis zusammen mit Jana, mit der ich mich aufgrund des Alters gut identifizieren konnte, gleich in mein Herz geschlossen habe, hat Jürgen etwas gebraucht bis er aufgetaut ist und ich ihn gemeinsam mit Marlis und Jana näher kennenlernen durfte. Kennt man Jürgen jedoch näher, erkennt man schnell, dass er einen unglaublich starken Charakter hat und er sich nicht unterkriegen lässt, trotz der vielen kleinen Hindernisse, die sein Leben beschwerlicher machen. Er ist ein echter Kämpfer und hat dabei seinen Humor nicht verloren, der manchmal sehr dunkel sein kann, aber man nimmt es ihm ab und er sorgt dadurch für viele Lacher. Jana anfangs die typische Studentin, entwickelt sich im Laufe der Handlung weiter und erkennt, dass das wahre Leben eben nicht im Hörsaal stattfindet und man nicht alles mit einer Doktorarbeit analysieren kann. Ich finde sie hatte die stärkste Weiterentwicklung, würde sie doch sogar die Liebe opfern. Neben den drei Hauptcharakteren gibt es natürlich noch den ein oder anderen mal mehr mal weniger liebsamen Nebencharakter, die alle mit ebenso viel Herzblut gestaltet wurden wie die Protagonisten. Ohne zu viel vorn wegzunehmen, ist Herbert einfach der Knaller, der mich immer wieder zum Lachen gebracht hat und den ich mir bildlich vorstellen konnte, ich wünsche eigentlich jedem einen Herbert in seinem Leben. Aber ich empfehle die Geschichte einfach selbst zu lesen. Es war eine sehr emotionale, spannende und humorvolle Reise mit dem Dreiergespann Marlis, Jana und Jürgen, dass schnell Zuwachs gefunden hat und mir viele schöne Lesestunden beschert hat. Ich werde die Charaktere und die Costa Blanca wirklich sehr vermissen und kann jetzt nur noch mit Vorfreude auf das nächste Buch der Aurorin freuen, egal ob als Tessa Hennig oder Tara Haigh.

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