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anni_anushka

Posted on 15.5.2024

Der große Roman über die amerikanische Drogenkrise Demons Leben beginnt schon suboptimal. Als er geboren wird, auf dem Badfußboden im Wohnwagen, ist seine junge Mutter komplett zugedröhnt. Danach gibt sie sich Mühe, doch sie scheitert immer wieder und stolpert mehr schlecht als recht von einem Entzug in den nächsten. Demon wird von einer Pflegefamilie zur nächsten herumgereicht. Nur wenige Menschen behandeln ihn gut, hier im von Armut geprägten "Hinterland" der USA, als Teil jener Bevölkerungsgruppe, die landesweit als Hillbillys verlacht und Gegenstand vieler hämischer Scherze sind. Er versucht, die Schule als Chance zu nutzen, doch die Perspektivlosigkeit und das finanziell schwache Umfeld lassen die Motivation schnell schwinden. Und trotz nahegehender schlechter Beispiele landet auch Demon durch eine Schmerzbehandlung mit Oxycodon irgendwann bei den Drogen ... Auf über 800 Seiten erzählt Kingsolver die berührende Geschichte eines Jungen, der schon von Anfang an kaum eine Chance hatte. Unbekümmert, flappsig und ironisch erzählt Demon seine Kindheit und Jugend aus seiner Perspektive. Dabei berührt sein unbändiger Lebenswille immer wieder. Als Adaptation des Klassikers "David Copperfield" erzählt die Autorin hier eine große Geschichte von Armut, Perspektivlosigkeit und Drogenkrise. Selbst Familien, die sich alle Mühe geben, haben hier in Lee County keine Chance und steigen gnadenlos ab. Der Detailreichtum und der nahbare Erzähler machen das Buch zu einem Genuss, indem man trotz der ernsten und bedrückenden Thematik tief in die Geschichte einsteigt und in dem Jungen, der trotz vieler Schicksalschläge nicht aufgibt, einen Sympathieträger findet. Vielleicht hätte die Geschichte an der ein oder anderen Stelle gestrafft werden können, aber insgesamt vermittelt die Autorin ein glaubhaftes und Mitgefühl hervorrufendes Bild einer von der Politik vergessenen und dem Kapitalismus ausgebeuteten Gesellschaftsschicht, deren harte Schicksale als Grundlage zahlloser schlechter Witze dienen. Eine Gesellschaftsschicht, in der schon die jüngsten kaum einen anderen Ausweg sehen als das Leben durch Opioide oder Alkohol erträglich zu machen. Demon Copperhead erzählt von dem weniger glamourösen Amerika, mit viel Sozialkritik und gut ausgearbeiteten Figuren. Das Buch behandelt viele Themen, die jedoch gut ineinander greifen und ein komplexes Bild zeichnen. Am Ende ist dieses Buch aber vor allem auch aufwühlend und eine definitive Leseempfehlung.

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