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anni_anushka

Posted on 25.4.2024

Die Hexenjagd von East Anglia East Anglia, 1645: In Cleftwater geht die Angst um. Nachdem in den umliegenden Orten Frauen wegen Hexerei verhaftet wurden, hat man nun auch Prissy abgeholt, Köchin im Hause von Kit, für den Martha Bedienstete ist. Martha ist außerdem Kräuterfrau, Hebamme und seit ihrer Kindheit stumm. Weil sie den weiblichen Körper kennt, soll sie den Sucherinnen assistieren und die Frauen auf Hexenmale untersuchen. Doch das Misstrauen ist überall und Martha muss vorsichtig sein, wenn sie versuchen will, den Frauen zu helfen. Denn auch sie kann jederzeit als Hexe verdächtigt werden. In diesem Buch werden historisch reale Erlebnisse zugrunde gelegt. Cleftwater, der Hexenjäger Makepeace und die verschiedenen Figuren sind fiktiv, es gab zu dieser Zeit jedoch den Hexenjäger Matthew Hopkins und Cleftwater vereint Merkmale verschiedener Ortschaften East Anglias während dieser Zeit. Die Romanhandlung selbst ist nicht neu und bietet auch wenig neue Ansatzpunkte, auch wenn die Geschichte über weite Strecken spannend und beklemmend erzählt ist. Das Misstrauen links und rechts ist beinahe greifbar, genau wie die Angst, die die Frauen von nun an verfolgt, die nächste zu sein oder durch irgendein unbedachtes Verhalten einen Grund zu liefern. Wie schnell das geht, zeigt eine impulsive Äußerung des Pfarrers. Überzeugend dargestellt ist, wie schnell die Dinge verdreht und absichtlich missverstanden werden. Das ist beim Lesen gleichzeitig äußerst frustrierend, denn man fragt sich, wie die Beschuldigten jemals ihre Unschuld beweisen sollten. Waren sie überzeugend, so wird es hier ebenfalls als Beweis für ein Bündnis mit dem Teufel angesehen, denn wer sonst könnte so einnehmend sprechen? Man kann fast Parallelen zur heutigen Zeit ziehen. Der Roman zeichnet nach, wie gefährlich Menschen sind, denen das Verständnis für komplexe Zusammenhänge abgeht oder für die die Mechanismen des weiblichen Körpers ein Mysterium darstellen. In der Person von Martha tun sich interessante Fragen auf. Welche Möglichkeiten hätte sie, den Frauen zu helfen? Und wann wird endlich jemand mit logischem Verstand diesem Wahnsinn entgegentreten? Der Aberglaube ist zudem tief verankert und die Menschen sind verunsichert, ob unerklärbare Dinge nicht doch auf Hexerei zurückzuführen sind. Nur allzu leicht sind sie gewillt, ihr Unglück oder Unvermögen auf andere zu schieben, was eigentlich im krassen Gegensatz zur gepredigten Schicksalsergebenheit der Religionen steht. Martha selbst möchte sich an Aberglauben und eine Wachsfigur klammern, doch bleibt deren Rolle und Macht bis zum Ende unklar. Was mir in diesem Buch zu kurz kam, waren die Rahmenbedingungen, die die Hexenjagden zu dieser Zeit begünstigt haben. Gerade zu den Hopkins Trials finden sich bei einer Internetrecherche direkt zahlreiche fachliche Analysen, die die Rolle des englischen Bürgerkriegs hervorheben, aber auch die Rolle des Kapitalismus. Denn Hopkins wurde laut dieser Quellen pro verurteilter Hexe bezahlt. "Die Hexen von Cleftwater" ist ein düsterer, beklemmender Roman, der gleichzeitig sehr wütend macht und zum Nachdenken anregt. Er erzählt von einer historisch verbrieften Hexenjagd aus der Sicht der 40jährigen Martha, die ihren Mitmenschen unheimlich ist. Sie beabsichtigt Gutes, erreicht aber oft genau das Gegenteil. Das lässt Mitleid mit ihr aufkommen, aber auch Ungeduld und die Hoffnung auf einen Lerneffekt, der bei Martha allerdings ausbleibt. Gleichzeitig sieht man zu, wie sich die Schlinge um sie herum enger zieht, ohne dass sie etwas dagegen tun kann. Bis kurz vor dem Ende bleibt unklar, wie es für Martha enden wird. Der Roman liest sich flüssig und streckenweise fesselnd. Gleichzeitig hebt er sich aber nicht sehr von der Masse an Romanen über die Hexenverfolgung ab.

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