monsieur
Von einer Kindheit in Singapur zu Beginn der 90er, davon erzählt Balli Kaur Jaswal in ihrem kürzlich auf deutsch erschienenen Roman »Zuckerbrot«. Der Einstieg ereignet sich schleppend, die zehnjährige Pin und ihre Mutter besuchen den Markt. Aber diesen hinter sich gelassen führt die Autorin den Leser mit jeder Seite tiefer in eine dichte Familiengeschichte, die zwar an sich nicht ungewöhnlich ist, gerade deshalb jedoch bezaubert. Pin, eine Punjabi, wächst in weitestgehend ärmlichen Verhältnissen auf, und hat mitunter Schwierigkeiten, sich einzugliedern - sie macht sogar die eine oder andere Erfahrung rassistischer Anfeindung. Umsorgt wird sie von ihrer Mutter, welche ihre Tochter stets mahnt, nicht wie sie zu werden. Obwohl das Geld für Nahrungsmittel knapp bemessen ist, wird Pin kulinarisch von ihr verwöhnt, und sollte das Essen, beispielsweise im Tempel, mal nicht nach ihrem Geschmack sein, weiß die Mutter es mit ihrem Zuckerstreuer zu veredeln. Pins Vater ist der Spielsucht verfallen und tritt nur am Rande der Geschichte auf. Das Leben der Familie dümpelt vor sich hin, den Alltag zu bestreiten ist die Hauptsache, und erst durch den Einzug von Nani-ji, einer Verwandten, wird die Gewohnheit unterbrochen. Der Roman verzichtet (von dem kurzen Ausflug in die Kindheit von Pins Mutter einmal abgesehen) auf dramatische Ereignisse und gestaltet sich erfrischend lebensnah. Alltägliche Sorgen sind Pins Lebensinhalt, und die Autorin versteht es, ihre kindlichen Zweifel und Freuden, sowie das Familienleben authentisch zu beschreiben. Als Leser taucht man tief ein in ihre Welt. Der Roman ist ein Sammelsurium kleiner alltäglicher Ereignisse, die - aus der Sicht einer Heranwachsenden erzählt - fesseln können. Sowohl die Autorin, als auch der Verlag waren mir zuvor völlig unbekannt, sind nach der Lektüre aber definitiv einen zweiten Blick wert.