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stricki

Posted on 19.4.2024

Verweigerung der Frauen Die sanfte Revolte einiger Frauen, die sich vor einem Krankenhaus auf den Asphalt legen, weil sie müde sind und nicht mehr können, wird zum Auslöser einer riesigen Bewegung, die die öffentliche Ordnung bedroht. Bämm, mit viel Wucht und Wut und Empathie und Herz erzählt Mareike Fallwickl in diesem Roman, was passieren könnte, wenn Frauen ihre Arbeit niederlegen und sich ihren vielfältigen Aufgaben verweigern. Im Mittelpunkt stehen 3 Figuren: Da ist Krankenpflegerin Ruth, die Unermüdliche, der nach dem Tod des Sohnes nur die Arbeit und ihr Chor geblieben sind, die mit aller Kraft gegen die Not- und Missstände im Krankenhaus anarbeitet, wohlwissend, dass sich dringend etwas an den Umständen ändern müsste, wohlwissend, dass sie und ihre Kolleginnen gnadenlos dem profitorientierten Klinikumsmanagement ausgeliefert sind. Influencerin Elin, Nichte von Ruth, treibt Socialmedia-süchtig, leer und verzweifelt durch ihre Hochstyle-Welt, versucht sich durch anonymen Sex mit Fremden zu spüren und sich Bestätigung zu holen. Und dann ist da noch Nuri. Ein Mann?! Ein junger Mann mit Migrationshintergrund, der die Schule abgebrochen hatte und in einem Hamsterrad aus Mindeslohnjobs fest steckt, die Nacht als Baarkeeper arbeitet und direkt weiter ins Krankenhaus zum Bettenschieben, und anschließend zum Pizza ausliefern. Da wird einem beim Lesen schon ganz schummrig, ebenso wie bei Ruth. Unglaublich, wie Fallwickl die Lebensrealitäten dieser Menschen beschreibt, so eindringlich, so intensiv, mich haben diese Schicksale alle drei sofort gepackt! Kein Wunder legen sich die Frauen hin und stehen nur dafür auf, sich untereinander zu solidarisieren und zu organisieren. Fallwickl stellt den erschöpften, nun aber immerhin hoffnungsvollen Frauen einen wütenden, aggressiven Mob aus Ehemännern, Chefs und Polizisten entgegen, die die Frauen mit Gewalt zurück in die gewohnte Normalität zwingen wollen. Wo kommen wir denn sonst hin, so funktioniert das nicht! Es ist ein Gedankenexperiment, dass atemlos und nachdenklich macht. Ich wunderte mich allerdings, wie Nuri hier reinpasst, in diese geballte Frauenpower. Ja, er steht voller Solidarität auf Seiten der Frauen, wie auch noch ein paar wenige andere Männer. Ansonsten unterteilt Fallwickl Männer und Frauen hier provozierend schwarz-weiß, Frauen immer sanft und gebend, Männer brutal und hart. Das war mir zu simpel gelöst, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Der Roman ist toll geschrieben, die Sprache ein absoluter Lesegenuss, die Figuren wunderbar, und auch die Kapitel wo Pistole, Gebärmutter und die Berichterstattung zu Wort kommen, super! Auf jeden Fall meine Leseempfehlung.

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