B. S.
Ein Roman, der von seiner Stimmung und Sprache lebt "Das Fenster zur Welt" von Sarah Winman ist ein kurzweilig und sprachlich wunderschön erzählter Roman voller Leben und einzigartigen Charakteren, mit inhaltlichen Schwächen. Eine zufällige Begegnung in Florenz während des Krieges 1944 verbindet die Kunsthistorikerin Evelyn Skinner, die dort hilft, Kunstgegenstände vor der Zerstörung zu retten, mit dem jungen britischen Soldaten Ulysses Temper. Der Eindruck, den sie aufeinander machen, führt zu einer dauerhaften Freundschaft, auch wenn Jahre vergehen, bis sie sich wiedersehen. Evelyn geht zurück nach London, um dort zu unterrichten, und Ulysses kehrt nach London und zu den Menschen zurück, die er zurückgelassen hat, eine bunte und außergewöhnliche Truppe von Charakteren in dem Pub, in dem er gearbeitet hat. Die Geschichte fokussiert sich auf das Leben von Ulysses und Evelyn ohne die anderen bedeutenden Personen im Leben der beiden zu vergessen. Genau dieses Ensemble von Figuren, deren Leben man über vier Jahrzehnte in London sowie in Florenz folgt, haucht dem Roman auch Leben ein. Man wird Zeuge ihrer Freundschaften, Freude, Liebe, Trauer und Verluste, während man in die italienische Kultur sowie in die Welt der Kunst, Literatur und Musik eintaucht, gestreift von historischen und geschichtlichen Ereignissen, wie die Flut in Florenz von 1966. Man fliegt zwar dank der atmosphärischen und poetischen Sprache voller Emotionen und Bilder durch die Seiten, aber in Bezug auf das inhaltliche Geschehen verbleibt man nur an der Oberfläche. Anfangs noch etwas langatmig erzählt, werden mit zunehmender Länge Entwicklungen und Ereignisse aneinandergereiht, die, bevor man sie greifen kann, wieder einem gleich aus der Hand gerissen werden. An der einen Stelle mehr Tiefe, an der einen weniger, hätte der Geschichte im Ganzen gutgetan. Auch kam mir der Papagei Claude irgendwie zu kurz. So hinterlässt insgesamt einen gemischten Eindruck. Sprachlich ein Genuss, inhaltlich mit Schwächen. Für Fans von Sarah Winman und Liebhabern charakterorientierter Romane, die mehr vom Gefühl und der Stimmung, die sie erzeugen, leben, als vom eigentlichen Inhalt.