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Buchdoktor

Posted on 11.4.2024

Im Korea-Krieg (1950-53) erlebt Jacob Hampton in eisiger Kälte nachts auf Wache den Angriff eines Einzelkämpfers, der über das Eis des Grenzflusses in den Süden kommt. Selbst schwer verletzt, sieht er den Mann im Eis versinken. Jacob wird von Dorfbewohnern gerettet; sein linker Arm jedoch wird gelähmt bleiben. „Deine Fahrkarte nachhause“, meint der Arzt im japanischen Lazarett zu Jacob. In den Appalachen North Carolinas warten Jacobs schwangere Frau Naomi auf den Veteranen und der Konflikt mit Jacobs Eltern, die ihr einziges Kind enterbten, nachdem die beiden Minderjährigen ohne Einwilligung von Jacobs Familie geheiratet hatten. Die Hamptons, denen das Sägewerk und der Laden gehören und die daher entscheiden, wer im Ort Arbeit hat und wer nicht, werden die Beziehung zwischen Jacob und Naomi mit allen Mitteln verhindern. Wie sie das anstellen wollen, fesselt wie ein Krimi. Schwer traumatisiert kehrt David zurück. Sein Jugendfreund Grant Blackburn hat sich in seiner Abwesenheit um Naomi gekümmert. Blackburn lebt seit seinem 16. Lebensjahr als Friedhofswärter auf dem Friedhofsgelände und versorgt äußerst respektvoll im Sinn des Wortes „Care“ die Toten und deren Gräber. So schrubbt er regelmäßig die Inschriften auf den Grabsteinen, damit sie leserlich bleiben. Blackburns Werte und seine bedachte Arbeitsweise werden schließlich den gnadenlosen Kampf um Jacob entscheiden, ein Faktor, den die Eltern Hampton offenbar unterschätzten. Da Blackburn und sein Schicksal entscheidend für den Verlauf der Geschichte sind, gibt der Klappentext m. A. zu viel über ihn preis. Wie in einem äußerst akkurat gefertigten Mosaik treffen in Blowing Rock zahlreiche für die 50er Jahre typischen Konflikte aufeinander. Die vorschnelle Ablehnung Naomis durch Jacobs Eltern, ob Jacob studieren wird, obwohl er deutliches Talent für das Sägewerk zeigt, Neid, Hohn und Missgunst im Ort, Jacobs Kriegstrauma, das offenbar von einem WK-II-Veteranen, aber nicht therapeutisch behandelt wird, Vater-Sohn-Beziehungen, sowie generell vorschnelle Urteile, mit denen die Beteiligten sich ins Unglück stürzen. Neben Ron Rashs liebevoller Zeichnung aller Figuren hat mich besonders berührt, wie der Autor von Seite zu Seite u. a. Blackburn und Naomis Persönlichkeit auffaltet, so dass ich mich der Zwangsläufigkeit von deren Handeln nicht mehr entziehen konnte. Ein herausragender Roman, eines meiner Jahres-Highlights - so dass ich mich frage, warum Ron Rash bisher nicht ins Deutsche übersetzt wurde.

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