sophiesyndrom
Die langersehnte Fortsetzung von Jasper Ffords Farben-Trilogie steht dem Auftakt in Sachen Ideenreichtum und spannungsgeladener Handlung in nichts nach. Tatsächlich wurde hier in meinen Augen noch eine Schippe draufgesetzt, sodass ich jetzt auch wie auf heißen Kohlen sitze und auf das große Finale warte. Um nicht zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, versuche ich das hier etwas gebündelter zu halten. Dass etwas mit der von der Farbpolitik gezeichneten Gesellschaft, in der Protagonist Eddie Russet lebt, so gar nicht stimmt, ist nun keine Vermutung mehr, sondern eindeutige Sicherheit. Gerechtigkeit gibt es nicht. Vielleicht nur für die, die die Gerechtigkeit anderer einschränken. Ein System aus Regeln, Strafen und Tod – und der Glaube an den Schein hält alles zusammen. Doch es gibt mehr Grausamkeiten, mehr Fragen und Unmengen an Antworten, die es zu finden gilt. Denn Eddie und Jane beschleicht schon bald die Vermutung, dass es nicht nur die Welt gibt, die sie kennen, sondern dass es irgendwo noch ein Anderswo geben muss. Nahtlos geht es weiter mit Jasper Ffords skurrilen Ideen, die eine Handlung formen, die einen in den Bann zieht. So macht es auf der einen Seite schlicht Spaß, die Einzelheiten jener Welt zu entdecken; auf der anderen Seite hat man es neben dem Humor mit einer Schwere zutun, die einen emotional einnimmt. Während „Grau“ erst zum Ende einen sehr ernsten Ton annimmt, zieht sich dieser in „Rot“ durchweg durch die Seiten und lässt einen unwohl fühlen. Es ereilen einen böse Vorahnungen und Schock, sobald sich diese bewahrheiten. Den Jahren zwischen erstem und zweitem Band mag es geschuldet sein, dass einzelne Strukturen der gesellschaftlichen Ordnung noch einmal näher beschrieben wurden. Das war für mich, die den ersten Teil erst zuvor beendet hatte, jedoch auch sehr hilfreich, um die Komplexität jener für LeserInnen neuen Welt in ihrer Gänze wirklich zu begreifen. Die Geschichte wird jedoch nicht nur von der außergewöhnlichen Handlung und Ffords raffiniertem Schreibstil getragen, sondern auch von einer Vielzahl an starken Figuren. Nicht nur Protagonist Eddie Russet und seine Liebe Jane Grey zeugen von einer individuellen und tiefgreifenden Charaktergestaltung, sondern auch den anderen werden ambivalente Handlungsmuster und eine Entwicklung zugestanden, was das Buch noch einmal umso reichhaltiger macht. Ich konnte nicht anders als dranzubleiben. Es ist einfach grandios, wie facettenreich diese Buchreihe daherkommt und was für ein Können Jasper Fforde hier zeigt. Die Erwartungen für den finalen Band sind hoch, doch gerade nach Beenden dieses Buches kann ich nur überzeugt davon sein, dass meine Begeisterung für diese Geschichte nicht abreißen wird.