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Buchdoktor

Posted on 20.3.2024

In ihrem letzten Schuljahr ist Odile Ozanne 16 Jahre alt und wird nach den Sommerferien wie ihr Altersjahrgang eine Ausbildung beginnen. Die Icherzählerin wirkt am Beginn des letzten Sommers ihrer Kindheit planlos, ihre Mutter jedoch dringt darauf, dass Odile am Conseil, dem Auswahlverfahren für den Öffentlichen Dienst, teilnimmt. Die Handlung spielt in einem in den Bergen gelegenen französischsprachigen Dorf, das durch martialisch drohende Stacheldrahtzäune und engmaschige Kontrolle von den Nachbartälern abgetrennt ist. Nur wenn Odile die Spielplatzschaukel bis an den höchsten Punkt antreibt, erhält sie eine Ahnung davon, wie die Welt draußen sein könnte. Die Nachbartäler repräsentieren Vergangenheit und Zukunft ihrer Bewohner. Es ist leicht vorstellbar, dass Begegnungen zwischen den Zeitzonen die Emotionen hochkochen lassen könnten, mit unvorhersehbaren Folgen für die Menschen der Gegenwart, und darum verhindert werden müssen. Obwohl Odiles Lehrer Pichegru nicht völlig überzeugt von ihrer Eignung ist, schlägt er sie für das Conseil vor. Die Prüflinge erhalten Modell-Anfragen vorgelegt von Bürgern, die ein letztes Mal als Besucher im Nachbartal ihre Angehörigen in der Vergangenheit sehen möchten z. B. wegen unheilbarer Krankheit. Die 16-Jährigen sollen für oder gegen die jeweilige Anfrage plädieren. Jede Woche scheiden mehrere Prüflinge aus, die anschließend noch die Chance auf andere Ausbildungsplätze in der Stadtverwaltung haben. Dass ausgerechnet Jugendliche ihre Eignung für ethisch brisante Fragen beweisen sollen, könnte verwundern. Woher sollten sie die Lebenserfahrung und die Reife haben, um die evtl. Folgen für Antragsteller, Angehörige und die verantwortlichen Wachleute vorauszusehen? Odile stand unter besonderem Druck, weil ihre Mutter von ihr erwartete, dass die mit dem Bestehen des Conseils ihrer beider Lebensstandard erhöht. Als Odile die Auswirkungen der Lehr-Fälle auf ihren eigenen Lebenslauf erkennt, scheint es für sie keinen Ausweg aus dem Bewerbungsmarathon mehr zu geben … Fazit Scott Alexander Howard legt einen philosophisch-dystopischen Coming-of-Age-Roman vor, der deutschen Leser:innen bedrückend vertraute Bilder von Stacheldrahtzäunen, bewaffneten Wachmannschaften und Bespitzelung der Bürger liefert. Das düstere Szenario und die von der Welt entfernt aufgewachsene Heldin haben mich sofort in Odiles Geschichte eintauchen lassen. Auch wenn durch die Abwesenheit von Kleinkindern und Schwangeren Odiles Welt sehr reduziert wirkt, empfinde ich die Logik des totalitären Systems nachvollziehbar. Die Schülerin und spätere Berufstätige wirkt in ihrem Bericht sehr ernst und verantwortungsvoll. Natürlich habe ich mich gefragt, ob sie die Widersprüche des Systems erkennt und ob es für ihre Generation kleine oder große Fluchten geben könnte. Im informativen Nachwort erfahren wir Howards Motiv für seine Spekulative Fiktion; es sollte erst nach dem Roman gelesen werden. Aufgrund von Odiles Alter zu Beginn das Romans auch für Jugendliche empfohlen.

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