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marcello

Posted on 9.3.2024

Was einmal Vampire oder Superhelden waren, das ist aktuell vor allem True Crime oder Whodunnit, wobei diese beiden Genres für mich einen ähnlichen Trend bedienen. Dazu lässt sich der Trend quer durch alle Medien finden. Man findet ihn in Podcasts, in Büchern, in Filmen und in Serien. Bislang hat mich die Thematik vor allem seriell interessiert. Bei Büchern habe ich mich bislang vor allem auf die rein fiktionalisierten Krimis und Thriller verlassen. "Murder in the Family" von Cara Hunter erschien mir da alleine vom Klappentext wie der ideale Hybrid. Es ist zwar alles Fiktion, aber es geht um True Crime in einer TV-Sendung, wo eine Expertenrunde gemeinsam einen 20 Jahre alten Fall aufzuklären versucht. Diese Prämisse klang in meinen Augen so vielversprechend, dass ich gerne mal rein gelesen habe. Zunächst ist mir an dem Buch die Erzählweise als besonders interessant ins Auge gesprungen. Ich musste direkt ein wenig an "Daisy Jones & The Six" von Taylor Jenkins Reid denken, da sich Parallelen entdecken lassen. Während der Roman das Drehbuch einer Dokumentation nacherzählt hat, ist der Thriller gefüllt mit den Drehbüchern der einzelnen TV Episoden sowie privat ausgetauschten Nachrichten von Hauptfiguren, Kritik in der Zeitung und Diskussionen von Fans in Social Media. Es ist hier also mit noch einmal ein paar mehr Facetten ausgestaltet und die verschiedenen Formate haben auch dazu beigetragen, dass das Buchcover nicht umsonst fragt: "Kannst du den Fall vor ihnen lösen?" Als Leserin hatte ich so das umfänglichste Bild vom Geschehen und konnte mehr Puzzleteile ineinander setzen. Wenn nicht schon der Erzählstil an sich aufgrund seiner Seltenheit reizvoll genug gewesen wäre, dann wäre es dieses offensive Einladen des Mitmachens ganz sicher gewesen. Auch wenn es nur schwerlich zu vergleichen ist, aber ich musste manches Mal an einen Escape Room denken, wo ich mich unbewusst unter Druck gesetzt sah, Rätsel zu lösen, um vor der Zeit, sprich Buchende, die Lösung parat zu haben. Da das Buch nicht mit klassischen Kapiteleinteilungen arbeitet, was das Lesen einer Folge manchmal etwas lang macht, war es durch die Stilistik raffiniert, dass ich so aufmerksam war, dass mir das Ganze wie im Flug erschien und ich auch zu 100% im Geschehen eingefangen wurde. Spezielle Erzählstile bergen natürlich auch Gefahren und das ist bei so einem Drehbuchstil der Aufbau der Charaktere. Dafür werden am Anfang verschiedene Arten genutzt, um speziell das Expertenteam näher vorzustellen. Dennoch sind die Informationen natürlich knapp. Über alle anderen Figuren, vielleicht noch Guy Howard als Regisseur und persönlich Betroffener der Tragödie ausgenommen, wissen wir quasi nichts und es wird im Verlauf gemeinsam ergründet. Dennoch ist es schwer, sich mit einzelnen Figuren zu identifizieren. Die reine Dialogform macht es schwierig, die Gefühle dahinter zu greifen, wenn auch an manchen Stellen des Drehbuchs Gefühle der Personen durchaus auch mal festgehalten werden, wobei man dann natürlich bedenken muss, solche Drehbücher werden dennoch von einer Person mit subjektiven Gefühlen geschrieben. Dementsprechend ist man durch den Stil wirklich selbst in die Rolle eines Experten positioniert, als Detektiv. So misstraut man lieber allen Beteiligten und vertraut nur den eigenen Ergebnissen, Erkenntnissen und Gefühlen. Das hat wie gesagt auch gut funktioniert, aber es ist anderes Lesen als ich es sonst gewöhnt bin. Aber wenn man sich selbst gerne mal herausfordert, ideal. Zwischendurch habe ich mich nur mal gefragt, ob gewisse Pläne, Berichte etc., die zentral für die Ermittlung waren, besser vorne oder hinten in Buch gesammelt worden wären. Gerade wenn man sich dann so herausgefordert sieht, mitzurätseln, würde man so hektisches Hin- und Herblättern verhindern. Letztlich waren die einzelnen Sachen aus meiner Sicht nicht so entscheidend für daw Endergebnis. Dennoch ist es mir aufgefallen und wäre vielleicht für andere Bücher solcher Art für die Zukunft hilfreich. Wenn ich jetzt den genauen Verlauf des Geschehens betrachte, dann ist pro Cliffhanger einer Episode ein Spannungsmoment geboten. Dazu merkt man aber auch deutlich, dass pro TV-Episode, und es sind letztlich acht, mehr angezogen wird. Es tauchen immer mehr mögliche Richtungen auf, die Stimmung im Team verändert sich entscheidend, es wird teilweise gegen- statt miteinander gearbeitet und das sorgt insgesamt dafür, dass es eine Spannungskurve mit kleinen Ausbrüchen zwischendurch, aber eigentlich steil nach oben gibt. Zugegeben: Das Buch schrammt stellenweise ein wenig an dem schmalen Grat der Zufälle vorbei, aber ich habe das für mich gut eingeordnet bekommen, weil es auch innerhalb einer TV-Show angeboten wird und das ist Überdramatisierung schon ewig ein beliebtes Mittel der Wahl. Das ist nämlich ein weiterer wichtiger Aspekt der Handlung, denn es ist nicht nur True Crime, es ist auch Reality TV und wie sehr dort hinter den Kulissen gesponnen und gestrickt wird, oft ohne das Mitwissen derer, die dann vor der Kamera sind, um maximale Dramatik und explodierende Gefühlslagen darstellen zu können. Das ist hier vorzüglich abgebildet worden, denn irgendwann war es eine Atmosphäre zum Durchschneiden mit einem klaren Bösewicht, der sich für die Quote und das zu verdienende Geld hervorragend in dieser Rolle fühlt. Ansonsten wird das Geschehen aber zu einem sauberen Ende gebracht. Das war mir dann auch sehr wichtig, denn es wurde zwischendurch an Möglichkeiten wirklich breit und dann ist es die Kunst, den einen Weg noch zu finden. Das wurde hier aber geliefert, um noch ein kleines Rätsel ganz zum Schluss zu bieten. Insgesamt also eine wirklich raffiniert durchdachte Struktur. Fazit: "Murder in the Family" von Cara Hunter hat mich aufgrund der Erzählweise auf jeden Fall begeistern können, auch weil es wirklich jeden individuell einlädt, wild mitzurätseln und zu spekulieren. Es mag zwischendurch eine große Informationsfülle geben und es ist schwer, zwischendurch mal einen inhaltlichen Cut zu finden, aber die Vielschichtigkeit der Geschichte sowie die Wendungen und die steil ansteigende Spannungskurve sind einfach nicht zu schlagen, so dass ich ruhigen Gewissens eine Leseempfehlung ausspreche. Fühlt euch also gerne herausgefordert herauszufinden, ob der Mörder wirklich in der Familie ist.

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