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Coming of age und Psychiatrie in den Achtzigern Coming of age in den Achtzigern und Einblicke in die frühere Psychiatrie. Ja, mit so etwas kann man mich einfangen. Und dieses Einfangen habe ich nicht bereut. Denn dieses Buch ist ein Leckerbissen! „Irre Wolken“ holt mich ab, beschert mir ein Lebensgefühl zurück, lässt Erinnerungen hochkommen, einfach herrlich. Das Unbeschwerte der Jugend lässt in dem Buch von Markus Berges grüßen. Ein Blick auf die erste Liebe, ein Blick auf die fliegenden und tanzenden Hormone, ein Blick auf eine auch fragwürdige Unbedarftheit, aber in diesem Gedanken spricht meine psychiatrische Erfahrung eine Rolle, eine Erfahrung, die der Titelheld nicht hat, nicht haben kann. Denn seine Jugend und seine im Dreieck springenden Hormone lassen dies gar nicht zu. Und so ist „Irre Wolken“ einerseits ein unbeschwerter Blick auf die Liebe, auf das Verliebtsein, was ja in bestimmter Weise auch einer psychotischen Episode nahekommt, denn das Wirken der Hormone auf das Gehirn kommt einem psychotischen Erleben nahe. Man bedenke nur das Ausschalten der Realität in einem verliebten Hirn, den Blick auf die Welt durch diese oft beschworene rosarote Brille. Eine Brille, die den Blick verändert, ja, verformt. Andererseits türmen sich auch Wolken auf, Wolken, die durch das psychiatrische Krankheitsbild zum Tragen kommen, aber auch durch Tschernobyl und dem verwerflichen Tun des Menschen auf unserer Erde. Empathische Einblicke in die psychiatrische Welt können nicht von Nachteil sein, denn wenn diese Einblicke wachrütteln und somit schweres Leid verhindern können ist viel gewonnen. Tschernobyl hat damals kurz die westliche Welt erschüttert, aber verändert hat Tschernobyl nichts, außer, dass es damals in den ostdeutschen Gefilden plötzlich mehr Obst und Gemüse zu kaufen gab. Obst und Gemüse aus den östlichen Bruderstaaten. Denn Berichterstattung zu dem unsäglichen Geschehen gab es im DDR-Fernsehen nicht oder kaum. Der große Bruder befiehlt halt. Diese Warnungen, die im Westen grassierten, gab es bei uns nicht. Gewusst hat man es dennoch, durch westliche Medien, wenn man sie denn gesehen/gehört hat, durch mündliche Weitergabe. Nur getan hat sich hierzu nichts. Die Krankheit der Gier halt, wie es in einem Klassiker so schön heißt. Erst Fukushima und das damit verbundene Grauen lässt ein Umdenken entstehen, an dem reaktionäre Kreise weiterhin sägen. Denn diese Gier gibt’s ja immer noch. Und somit ist der Titel „Irre Wolken“ hervorragend gelungen und das Buch von Markus Berges ein Knaller in der Menge der zuletzt konsumierten Bücher.