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biancaneve66

Posted on 19.2.2024

Der Geschmack des Publikums Die Büste der Nofretete, die 1913 nach Berlin gelangt, wird nicht nur durch ihre zeitlose Schönheit zur Sensation – auch für James Simon. Er ist Mäzen der Grabungen, angesehener jüdischer Textilunternehmer, Stifter unzähliger Kunstschätze, aber auch Gründer vieler sozialer Einrichtungen. Bei der erstmaligen Ausstellung der Büste im Neuen Museum entbrennt ein Streit zwischen Ägypten, Frankreich und Deutschland und Rückgabeforderungen werden laut. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kommt es in der Weimarer Republik zunehmend zu nationalistischer und antisemitischer Propaganda. Das schlichte Cover zeigt das geschäftige Treiben auf den Straßen im Berlin der Zwanziger Jahre. Der Roman ist in zwei Teile mit längeren Kapiteln geteilt. Die Sätze sind oft kurz gehalten, einem Bericht gleich; sie spiegeln die Gedanken des Protagonisten wider, durch häufige Rückblicke entstehen Zeitsprünge, denen man aber gut folgen kann. Die genaue Beschreibung der Nofretete lässt sie vor dem Auge des Lesers entstehen. Ihr Name selbst wird erst im Epilog erwähnt, davor gibt es nur einmal dessen Übersetzung als „Die Schöne ist gekommen“. Ausschnitte aus dem Briefwechsel zwischen dem Grabungsleiter Borchardt und seinem Gönner Simon unterstreichen die Authentizität der Geschichte. Die Informationen zu den Ausgrabungen, die Katalogisierung, der Umgang mit den Fundstücken, Plünderungen, all das ist überaus interessant gestaltet, ohne jedoch lehrbuchhaft zu klingen. Es steckt dennoch viel mehr in diesem Roman. Die Beschreibung der Lebenssituation im wilhelminischen Zeitalter bietet einen guten geschichtlichen Überblick jener Zeit; bezogen sowohl auf Simons eigene, zunächst privilegierte Situation als auch auf die Schicksale jener Menschen, die er durch seine sozialen Einrichtungen unterstützt. Das Umschlagen der Situation und die vermehrt auftretenden antisemitischen Angriffe sind beklemmend beschrieben. Der Roman richtet sich daher nicht nur an Kunstinteressierte, sondern an alle, die ihren geschichtlichen Horizont erweitern wollen.

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