marcello
Ursula Poznanski wird wohl immer für mich mit einem entscheidenden Aha-Moment verbunden sein und das durch „Erebos“. Ich hatte damals so ein Buch noch nie gelesen, weswegen das Grenzen Aufzeigen von Technik und wie weit man es damit treiben kann, sich sehr spannend inszeniert anfühlte. Danach habe ich bei Poznanski immer mal wieder zugegriffen, zuletzt auch bei ihrer Krimireihe (die mir gefallen hat), aber so die anderen Bücher, die in Richtung „Erebos“ gingen, da war es immer etwas schwierig. Als ich nun aber auf „Die Burg“ aufmerksam wurde, war ich gleich neugierig, denn KI, auch dank Chat GPT ganz aktuell ist in aller Munde und immer wieder wird auch auf damit verbundene Gefahren gegenüber den Vorteilen aufmerksam gemacht. Deswegen dachte ich gleich, das ist ein ideales Thema gepaart mit den geliebten Escape Rooms, wo ich gerne mal reinschaue, ob „Erebos“ zumindest vom Gefühl her noch einmal reaktiviert wird. Es geht gleich mittendrin los, denn unsere wichtigste Perspektive mit Maxim ist gleich schon an der Burg angekommen, wo er eine ganz neue Vision von Escape Rooms mit anderen austesten soll. Neben ihm werden noch einige andere Figuren eingeführt und wir haben die Spielleiter bzw. ITler etc., die dafür sorgen wollen, dass alles reibungslos verläuft und das haben wir personifiziert durch Alissa. Mir fiel es etwas schwer, mit den Figuren mich wirklich einzuleben, weil natürlich auch Tempo in der Handlung ist. Das macht es für Charakterstudien natürlich schwieriger, aber ich fand es im weiteren Verlauf dennoch sehr unglücklich, dass wir mit Poznanski an den zwei Perspektiven kleben. Wenn man Maxim dann wenigstens abwechselnd mit den anderen hätte interagieren lassen, dann hätte man mehr Möglichkeiten gehabt. Bei Alissa wiederum war sie schon das Problem. Ich fand sie nicht unsympathisch, aber sie war eher funktionell und charakterlich austauschbar. Das hat sich durch das ganze Buch gezogen. Auch wenn es je nach Genre andere Anforderungen gibt, aber greifbare Figuren, die man verstehen kann, selbst wenn sie einem völlig charakterlich entgegen sind, sind die kein Standard?! Für mich hat das beim Lesen doch einiges genommen, auch weil ich so am Ende noch viele Fragen hatte, die nicht nötig gewesen wären. „Die Burg“ lebt von sehr viel Vorstellungskraft, weil die verschiedenen Rätsel immer wieder in andere Szenarien führt. Das für mich etwas herausfordernd, weil ich leider einfach nicht so eine anbetungswürdige Vorstellungskraft wie andere habe. Aber das werfe ich der Autorin natürlich nicht vor, das ist meine individuelle Sache. Dadurch, dass es für mich aber so schwierig war, würde ich generell sagen, dass es auf jeden Fall gut gemacht war. Poznanski muss sehr detaillierte Vorstellungen gehabt haben. Ich selbst habe mich eher an die Rätsel geklammert, da ich selbst schon in Escape Rooms war und da sind gewisse Tendenzen immer wiederholend und das war meine Ebene. Sehr interessant war sicherlich auch die Ebene, wo die KI die Teilnehmer mit sehr persönlichen Sachen konfrontiert, die die meisten verdrängen wollen. Das fand ich sehr reizvoll, ist aber dann immer unwichtiger geworden, obwohl es für die Charakterebene ideal gewesen wäre. Dazu war ich überrascht, wie düster es inhaltlich geworden ist. Kein Wunder, dass Poznanski hier keine jugendliche Zielgruppe direkt ins Visier genommen hat, denn es passiert einiges, wo es einen belastbaren Magen braucht. Die ganze Brutalität hat letztlich aber vor allem die Botschaft des Buchs unterstrichen. Ich hatte kein Gefühl dafür, wie es wohl ausgeht, was schon sehr positiv war. Am Ende gab es auch noch Wendungen, die ich niemals so vermutet hätte. Insgesamt zeichnet das ein Bild, was nachdenklich macht. Poznanski hatte hier definitiv etwas zu sagen und das ist bei mir auch angekommen. Aber ich hätte „Die Burg“ ganz sicher lieber gehabt, wenn es auf der Charakterebene ein anderes Niveau gegeben hätte. Fazit: „Die Burg“ ist thematisch brandaktuell, aber das kann man bei Ursula Poznanski eigentlich immer einplanen. Hier haben mir die Botschaften, die Verbindung zu Escape Rooms und die durchgehende Spannung gut gefallen. Aber auf der Charakterebene war ich in vielen Belangen enttäuscht. Auch die Wahl der Perspektiven war nicht ideal, weswegen ich insgesamt ein gutes Buch gelesen habe, was aber noch besser hätte sein können.