marcello
Von Tessa Bailey habe ich bislang noch nichts gelesen, obwohl sie mir namentlich dank Kyss auf jeden Fall bekannt war. Bei „Secretly Yours“ habe ich nun zugegriffen, weil ich das ganze Setting mit dem Weingut und Thema Kleinstadt sehr interessant und vielversprechend fand. Zunächst muss ich sagen, dass ich mit dem Schreibstil meine Freude, aber auch kleine Ärgernisse hatte. Mir hat es zunächst gefallen, wie extrem die Kontraste doch waren, die aufeinandergetroffen sind. Hallie als sehr chaotischer Mensch, die schnell ausspricht, was sie denkt und die sich auch herrlich auf Kleinkriege einlässt. Dagegen dann Julian, der so akkurat und korrekt und keinesfalls spontan ist. Auch wenn das insgesamt natürlich sehr übertrieben war, vor allem Julian, wie ich finde, so hat es hier für mich gepasst, weil es für viele humorvolle Sequenzen gesorgt hat. Das ist dann auch das zweite Highlight, denn man kann viel Lachen und Schmunzeln, auch mit Natalie oder Lavinia. Es war sicherlich sehr hilfreich, dass auch bis in die Nebenrollen hinein der Stil beibehalten wurde, so dass auch die Beziehungen untereinander einen gewissen Pepp hatten. Dennoch ist auch eine gewisse Tiefe nicht zu kurz gekommen. Hallie und Julian haben zusammen sehr intensive Momente mit ehrlichen Worten, aber auch abseits davon sind die Beziehungen so gestaltet, dass man sich gut hineinversetzen kann, weil es neben dem gemeinsamen Spaß auch Ernst gibt, wo die Figuren sich jeweils versichert bekommen, dass sie auch sein können, wer sie sind. Was ich nun als etwas störend empfunden habe, das ist die Sprache, wenn es an die expliziteren Szenen geht. Ich habe nichts gegen erotische Szenen, aber hier fand ich die Sprache für mich persönlich zu derb. Denn, wenn es in der zweiten Hälfte, dann auch mal heiß wird, dann hatte ich stellenweise das Gefühl, die Figuren wurden einmal ausgetauscht. Bei Hallie war das so deutlich nicht, aber Julian? Er war mir öfters da völlig drüber. Also sexy hin oder her, aber es muss auch irgendwie passen. Hier dachte ich jedenfalls mehrfach: Hat er jetzt nicht gesagt, oder? Mit Julian ist aber auch ein Umstand verbunden, den ich als sehr wichtig empfand, weil er in Angstsituationen offenbar in einen Zustand verfällt, wo er sich selbst gar nicht mehr so wahrnimmt und auch sein Zeitgefühl verliert. Auch wenn das nicht medizinisch-exakt angepackt wurde, aber ich fand es als Element hier sehr interessant, auch weil es zu seinem Charakteraufbau und warum er sich so abseits der Familie entwickelt hat, sehr gut passte. Zum anderweitigen Handlungsverlauf ist es für mich so, dass die Sache mit den geheimen Briefen für mich völlig okay war, weil ich auch selbst bestens weiß, dass etwas niederschrieben oft viel einfacher ist, als es auszusprechen. Wie sie sich aber auch abseits der Briefe näher gekommen sind, war auch mit lustigen Momenten verbunden, wie der Käseklau, herrliche Szene. Auch Hallies Weg dahin, den Laden ihrer Oma mit mehr Selbstbewusstsein zu führen oder Julian, der sich speziell seiner Mutter und der Arbeit auf dem Weingut wieder annähert, das war auch überzeugend. Am Ende war einiges etwas forciert. Da ist der Showdown noch etwas künstlich verlängert worden, nur um am Schluss aber an passenden Symbolen auszukommen. Fazit: „Secretly Yours“ ist für mich eine insgesamt unterhaltsame Liebesgeschichte gewesen, die ich durch das Hörbuch gut von Isabel Jakob nähergebracht bekommen habe. Es gab viel zum Lachen und auch die Spiele mit Klischees passen hier gut hinein. Es war mehr Tiefe geboten, als ich vielleicht ursprünglich gedacht hätte, dafür tat ich mich mit der Sprache bei spicy Szenen schwerer. Insgesamt aber wirklich gut.