sursulapitschi
Diane Oliver wurde nur 22 Jahre alt. Sie ist 1966 gestorben und hat trotz ihres jungen Alters ein Werk hinterlassen, das mit Preisen bedacht wurde und uns heute noch beeindruckt. In „Nachbarn“ wurden einige ihrer Kurzgeschichten zusammengestellt, die neben plastischem Zeitkolorit der 60er Jahre auch von Misogynie und Rassismus erzählen und leider auch heute noch sehr aktuell wirken. Die Geschichten lassen uns in die Köpfe der unterschiedlichsten Frauen gucken. Da ist Winifred, das einzige schwarze Mädchen am College, oder Nora, deren Vater seine Familie verlassen hat, Millie wird auf ihrer Reise durch Österreich bestaunt wie ein exotisches Tier und Libby kocht für reiche Leute, während ihre Kinder zu Hause hungern. Es geht um kleinere oder größere Dramen des Alltags. Dabei schafft es die Autorin, sofort zu fesseln, eine Situation auf kleinstem Raum so auszubreiten, dass man ihren Figuren nahekommt. Der Höhepunkt ist für mich die Geschichte von Jenny, die als Spielball verschiedener Männer ins Unglück getrieben wird. Hier bekommt der Erzählstil nochmal eine ganz eigene Note, wird eher intuitiv, bekommt einen Rhythmus und klingt fast wie ein Lied oder ein Gedicht. „ Willst du tanzen, Jenny? - Komm schon Jenny! - Du liebst mich nicht genug. - Und dann war sie tot.“ Diese Sätze sind der Refrain einer Tragödie, ziehen sich wie ein Mantra durchs Geschehen, ganz schlicht und doch schrecklich. Und spätestens an dieser Stelle muss man auch die Sprecherin des Hörbuchs bewundern. Maya Alban-Zapata trägt ganz wunderbar vor, einfühlsam aber ohne Pathos, und setzt so ein I-Tüpfelchen auf ein sehr beeindruckendes Buch. Es dauert 7 Stunden, 55 Minuten.