Marcus Jordan
Wer Lust hat auf sehr hintergründige Metaphern und viel Interpretieren und Grübeln über mögliche Anekdoten, der ist hier genau richtig. Ich war aber irgendwie scheinbar zu doof für das Buch. Dabei ist die dramaturgische Anordnung durchaus spannend. Eine alte Drachendame überzieht ein irgendwie mittelalterliches England (so mit Artus, Gawain und Merlin und so...) mit einem Nebel, der sich aus ihrem Atem speist und der Vergessen macht. Und dieses Vergessen ist eben der begrabene Riese. Was passiert mit Gesellschaft, mit sozialen Beziehungen auf allen Ebenen, wenn alle nach und nach alles vergessen? Welche Rolle hat das Vergessen? Wie konstruktiv oder wie toxisch ist es? Wie verhält es sich zu Rache, Frieden und Liebe. Über all das ist gut nachdenken.Und an vielen einzelnen und vereinzelten Stellen im Buch liefert Ishiguro dazu interessante Betrachtungen und Überlegungen. Aber er liefert auch ganze Figuren und Erzählstränge, die ich einfach nur langatmig fand und die ich keiner Metaebene zuordnen konnte. Kobolde und Höllenhunde und einen Ritter von der traurigen Gestalt, der seitenweise vor sich hin sinniert, bis ich geradezu zornig wurde. Fiebrige, bräsige Fantasy mit einer ständigen Ahnung von Tiefe und immer wieder aufflackernder Erzählkunst, gerade wenn es um die Beschreibung der Figuren und ihrer abstrakten Spannungen geht.