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Ein Kochbuch und Gasthaus-Führer zugleich. Hinter der Marke «Südtiroler Gasthaus» stehen 29 sehr individuelle Familienbetriebe, vor allem aber Menschen, die mit Leidenschaft ihre Gäste bewirten. Für ihre tägliche Arbeit haben sie sich gemeinsam hohe Qualitätskriterien gesetzt, die unabhängig überprüft werden. Ein Qualitätsmerkmal ist die Verwendung von einheimischen, saisonalen Produkten, die in überlieferten und neu interpretierten Rezepten umgesetzt werden. Eine Tour durch Südtiroler Gasthäuser, die nebenbei ihre Lieblingsrezepte mitliefern. Im ersten Teil des Buchs werden die 29 Betriebe je als Doppelseite vorgestellt. Auf der einen Seite, ein kleiner Eindruck durch zwei bis vier Fotos, auf der anderen Seite ein kleiner Aufriss über Geschichte, Lage und die Grundpfeiler der Küche. Am unteren Rand jeweils Adressen, Kontaktdaten und einen Hinweis zu den zwei von ihnen vorgestellten Rezepten. Gemütliche Gaststuben im Tiroler Stil, warmes Holz dominiert. Die Rezepte teilen sich auf fünf Kapitel: Antipasti, Vorspeisen, Hauptgerichte, Desserts, Grundrezepte. Beim Durchblättern fällt sofort auf, dass traditionelle Küche hier niveauvoll in modernem Outfit serviert wird. Bei den Antipasti finden wir einen Löwenzahn-Spargelsalat mit Wachtelei; eine Graukäsepraline mit Lauchcreme, in die man sogleich hineinbeißen mag; pochiertes Forellenfilet; aber auch gebratenes Kalbsbries; Rehrücken; Bergartischocke mit gebeiztem Saibling; Blaukraut-Krapfen mit Kalbskopf – hier wird Antipasti in guten Portionen geliefert. Suppen bei den Vorspeisen, wie Weinsuppe; eine saure Kuttelsuppe; Rohnennocken (Rote Beete) mit Graukäsecreme; Bärlauchteigtaschen mit Tomatenbutter; Tisner Kürbis-Kastanien-Tirtln auf gedünstetem Weißkohl; Brenessel-Kartoffel-Nocken; Buchweizen-Palatschinken mit Gutem Heinrich und Almkäse; Kastanien-Kartoffel-Gnocchi; Birnenmehl-Torteloni; Blutnudeln mit Ahrntaler Graukäse. Typisch für Südtirol auch die Hauptgerichte: Stockfischgröstel; Forelle; Spanferkelrücken mit Schüttelbrotkruste und Steinpilzknödeln; Kalbskotelett mit Kräutern und Erdäpfel-Blattln; Schnalser Schöpsernes (Lammbraten); Ziegenbock mit Schüttelbrotschupfnudeln und Steinpilzen; Rehrücken mit Schupfnudeln; Gamsrücken mit schwarzplentenem Riebler – aber auch ein Kartoffel-Shitake-Puffer mit Roastbeef oder ein Fohlenmedaillon mit Karottenpüree und Mangold. Der schwarzplentene Riebler ist ein traditionelles Gericht aus Maisgrieß – hier aber der Teig mit Kastanien, Dörrpflaumen und Buchweizenmehl hergestellt. Als Dessert darf Apfelstrudel nicht fehlen; Holler-Panna-Cotta mit frischen Erdbeeren; ein Parfait mit Preiselbeeren und Lärche (Lärchenöl) oder Barbianer Zwetschenknödel; Topfen-Birnmehl-Schmarrn. Klasse Rezepte, bei denen man sicher das ein oder andere ausprobieren wird – ansprechende Fotos animieren dazu. Aber zum Nachkochen eignen sich viele Rezepte nicht. Ziege, Gams, bei uns schwer zu erhalten; und ich möchte gern das Gesicht vom Metzger sehen, wenn ich nach Fohlenbraten oder 100 ml Schweineblut frage. Schüttelbrot, Birnenmehl, Lärchenöl wird wahrscheinlich schwer aufzutreiben sein, den Guten Heinrich kann man durch Spinat ersetzen. Mit ein wenig Fantasie wird sich ein Ersatzprodukt finden. Oder man bucht einen Urlaub in Tirol – viele dieser Gasthäuser haben auch Zimmer zu vermieten. Ein feines Kochbuch mit traditionellen Rezepten, einige außergewöhnlich zubereitet. Empfehlung – vielleicht ein Geschenk für Freunde als Reiseliteratur, die gern nach Südtirol fahren. Das Buch wurde beim Deutschen Kochbuchpreis ausgezeichnet mit Bronze in der Kategorie Alpen. Geboren 1986, stammt aus einem bäuerlichen Betrieb am Ritten/Südtirol, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und schreibt heute als freie Texterin und Redakteurin über Südtirols Menschen, Küche und Kultur, u. a. für Merian.