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gwyn

Posted on 11.12.2023

«Arthur hatte entdeckt, dass unter seinen vielen Talenten er eines am besten beherrschte: Leuten was verkaufen.» Fast 22 Stunden Hörbuch als erzählendes Sachbuch – und es wurde nie langweilig! Das große, verstörende Porträt der Sackler-Familie, die sich als Philanthropen feiern lassen, deren Vermögen durch Valium entstand und die mit der Erfindung des Medikaments OxyContin die Opioidkrise in den USA auslöste. Über vier Generationen behaupteten sie, sie hätten mit ihren Firmen nichts zu tun, hielten ihren Namen heraus; doch hinter den Türen zogen sie die Fäden, Manager, die etwas verändern wollten, mussten gehen. Und Millionen Menschen stürzten weltweit in die Abhängigkeit mit Oxy. Wer sich das Medikament nicht mehr leisten konnte, stieg auf Heroin um, was ja so ziemlich das Gleiche war. Die Sacklers behaupteten, wer abhängig sei, habe das Medikament eigenständig überdosiert – das war von Anfang an gelogen, und sie wussten das seit der Einführung des Medikaments. «Süchtige sind süchtig, weil sie süchtig sein wollen.» Patrick Radden Keefe zeichnet das Sittengemälde einer Industriellenfamilie, die die Welt prägte. Durch überdimensioniertes, aggressives Marketing ihrer Pharmafirma Purdue machten sie Ärzte zu Dealern und sackten selbst Milliarden ein. Alles beginnt mit Sarah Greenberg und Isaac Sackler, zwei jüdischen Migranten, die aus Polen und Galizien in die USA eingewandert waren und in NY Brooklyn landeten. Sie wollen, dass aus den Kindern Arthur, Mortimer und Raymond etwas wird, bestärken sie zu Fleiß. Alle drei Söhne studieren Medizin, arbeiten an renommierten Kliniken, gründen eigene Firmen und werden reich mit der Entwicklung von Valium. Der strebsame Sohn Arthur, entpuppt sich zum Marketing-Genie für medizinische Produkte, umschifft Gesetze, lügt, was das Zeug hält, moralische Bedenken hat er nie. Über eine eigene medizinische Fachzeitschrift, die sich den seriösen Anstrich des unabhängigen Journalismus gibt, kurbelte er durch Falschbehauptungen Märkte an. Das beginnt in den Sechzigern mit der Bewerbung für Valium, bei der er die Suchtgefahr verschweigt. Als herauskommt, dass Valium abhängig macht, kaufen sie die Pharmafirma Purdue, geben OxyContin heraus, was angeblich suchtfrei sei – letztendlich ist es Valium in doppelter Dosis. Gewissenlos und ruhmessüchtig wird das Schmerzmittel vertrieben. Der Name Sackler wird aus den pharmazeutischen Firmen stets herausgehalten, der Gewinn in Kunst investiert, ebenso in Bildung. Arthur sammelt leidenschaftlich, spendet für Museen, für Universitäten usw. Der Name Sackler pflastert sich durch das ganze Land, sogar bis nach England; ganze Museumsflügel werden in Sackler-Flügel umbenannt. An den UNI’s erhält man Sackler-Stipendien und Sackler-Professuren, Sackler-Hörsäle. Sackler, der Philantrop, der edle Spender. «Ich sage das nur ungern, aber du könntest der Pablo Escobar des neuen Jahrtausends werden.» Das bleibt ein Familienhobby; aber als Arthur stirbt, wird sein Zweig der Familie im Erbe ausgebootet. Ab 1987 steigt Richard Sackler, Arthurs Neffe und Raymonds Sohn voll ins Geschäft ein mit OxyContin. Beste Vernetzung und Lobbyarbeit, Bestechung von Behörden, teure, durchtriebene Anwälte, ein knallhartes Marketing, Manipulation, Umsatzbeteiligung für Ärzte, eine große Flotte von ungebildeten Pharmaberatern machen es möglich, dass diese Familie immer mehr Geld einstreicht. Letztendlich ist Arthur Sacker sozusagen auch der Erfinder der Werbung für Medikamente und der Pharmaberater. Die Werbung lügt dreist sämtliche Suchtgefahr weg – behauptet sogar das Gegenteil. Auch wenn immer mehr Patienten klagen, süchtig geworden zu sein, sterben, so wird bei den Sacklers jedes Mitverschulden abgestritten. Prozesse werden im Vorfeld mit Geld und Verschwiegenheitsvereinbarungen beseitigt, und finden dann doch Prozesse statt, führen windige Anwälte die Staatsanwälte, Ermittler und Journalisten an der Nase herum. Schadenersatzzahlungen laufen unter Peanuts. Etwa 450.000 Amerikaner:innen starben durch OxyContin. Doch die Sacklers scheffelen weiter Milliarden, während sogenannte Drogendealer wegen kleiner Vergehen lange Strafen im Gefängnis absitzen müssen. Man kennt den Namen Sackler, eine Familie von Philanthropen, aber mit Oxy wurde er nie in Verbindung gebracht. Journalisten und Aktivisten, ehemalige Abhängige, darunter berühmte Künstler, brachten langsam Licht ins Dunkel mit ihren Aktionen. Staatsanwälte, die nicht locker ließen, bissen sich weiter durch und der Name Sackler wurde langsam verpönt, die Schilder in Museen und Universitäten abgeschraubt. Das war letztendlich auch schon alles. Die Geschichte der Sackler-Dynastie birst vor Dramen - barocke Privatleben, erbitterte Verteilungsschlachten, machiavellistische Manöver in Gerichtssälen und der kalkulierte Einsatz von Geld, um sich als Kunstmäzene Zugang zur Elite zu kaufen und die weniger Mächtigen zu brechen. Ein verflochtenes Firmengeflecht, immer darauf bedacht, keine Steuern zu zahlen, ein Rudel der besten Anwälte in der Hinterhand. Eine Einwandererfamilie, die zu den Elitefamilien dazugehören wollte, von den alten New Yorker Familien aber nie richtig anerkannt wurden, denn als Juden empfing man sie nicht mit offenen Armen. Man kaufte sich ein, plakatierte alles philanthropisch mit dem Namen Sackler, denn zum US-Geldadel gehörte man unumstoßen dazu. Patrick Radden Keefe beschreibt als erzählendes Sachbuch ein detailliertes dynastisches Portrait der Sacklers, spannend wie einen Thriller. Und es erschüttert, was in diesem Rechtssystem alles möglich ist. Es ist ja nicht irgendeine Familie, die hier Geschichte schreibt, denn sie beschreibt auch pharmazeutische Geschichte, Medizingeschichte und die einer Drogenkrise in den USA. Nie wurde ein Mitglied des Sackler-Clans persönlich zur Rechenschaft gezogen, nur Strohmänner mussten herhalten. Merke: Nie etwas zugeben, leugnen bis zum bitteren Ende. Wer genug Geld hat, sich trickreich vertreten zu lassen, bekommt scheinbar in den USA immer Recht. Interessant, auch, OxyContin wollten die Sacklers in Deutschland gern zulassen. Man riet ab. Wenn es hier Probleme gibt, und die wird es geben, dann fällt das gesamte Kartenhaus zusammen. Es gibt einige Bücher über OxyContin und die Opioidkrise in den USA, auch Filme, doch dies ist das erste Buch, das sich direkt mit der Familie Sackler beschäftigt. Ein historischer Roman, ein Familienroman, ein erzählendes Sachbuch, eigentlich sogar eine True-Crime-Story, auf jeden Fall eine Empfehlung! Patrick Radden Keefe, geboren 1976, studierte an der Columbia University, der Yale Law School, der Cambridge University und der London School of Economics. Keefe ist investigativer Reporter des "New Yorker".

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