
Fina
Gestaltung: Dieses Buch ist optisch ein absoluter Traum! Ich habe mich sofort in die Gestaltung verliebt. dtv hat hier gezaubert, da hält in meinen Augen auch das Originalcover nicht mit, lediglich die Elster hat es auf beide Cover geschafft. Ich liebe die Blumenapplikationen und die Blautöne in Kombination mit der Goldfolie. Das Buch könnte zu den schönsten in meiner Sammlung gehören. Ob der Inhalt da mithalten konnte, das schauen wir uns im Folgenden an. Darum geht's: London um 1799: Pandora Blake ist im Antiquitätengeschäft ihrer Eltern groß geworden; doch seitdem sie nach einer Ausgrabung ihrer Eltern zur Waise wurde und ihr Onkel Hezekiah den Laden übernommen hat, geht es steil bergab. Deshalb muss sich Pandora selbst Gedanken über ihre Zukunft machen und verfolgt den Traum, Goldschmiedin zu werden. Wider aller Umstände verfolgt sie ihren Plan und bekommt dabei Unterstützung von Edward Lawrence, der selbst ebenfalls in der beruflichen Findungsphase steckt, und einer mysteriösen Vase im Fundus des Antiquitätengeschäfts... Idee/ Umsetzung: Schlagworte, die mich bei Geschichten immer ansprechen, sind Geheimnisse der Vergangenheit und starke Frauenfiguren - Susan Stokes-Chapman vereint hier beides. Wir merken direkt auf den ersten Seiten, dass Pandora eine sehr tapfere und clevere junge Frau ist, die, besonders gemessen an der damaligen Zeit, sehr fortschrittlich und mutig agiert. Die Autorin schafft es wirklich anschaulich, die damalige Zeit und auch das Londoner Setting zum Leben zu erwecken und den Geist dieser Epoche einzufangen. Gerade, weil ich mich mit diesen Themen sonst wenig beschäftige, hat die Autorin mir die Atmosphäre und die Menschen um 1800 durch Beschreibungen und Dialoge nahe gebracht. Pandoras Lebenssituation zu Beginn der Geschichte ist alles andere als leicht: Sie hat beide Eltern verloren und ihr Onkel Hezekiah ist der einzige, der für sie sorgen kann. Doch dieser ist ohne Rücksicht auf Verluste hinter Macht und dem großen Geld her, sodass Pandora für ihn eher einen Störfaktor darstellt. Besonders hinsichtlich ihres Traums der Goldschmiede ist er sehr belächelnd und entmutigend, so, wie es Frauen damals bei beruflichen Ambitionen häufig erlebt haben. Umso schöner ist es zu beobachten, wie Pandora sich davon nicht entmutigen lässt und erst recht für ihren Traum kämpft und sich gegen Hezekiah auflehnt. Schreibstil: Der Schreibstil der Autorin lässt sich flüssig und leicht lesen, hat aber dennoch einige Besonderheiten. Im Marketing wird er als "poetisch" oder auch "elegant" beschrieben. Das würde ich schon so unterschreiben, allerdings, ohne gleichzeitig sehr schwer zu wirken. Ich konnte die Geschichte trotz der gehaltvollen Sätze recht schnell und unkompliziert lesen. Wenn man möchte, kann man aber bei einigen Sätzen verweilen und länger darüber nachdenken. Das finde ich eine tolle Mischung, da die Autorin mit dem Klischee der teilweise eingestaubten, schwermütigen Leseweise historischer Romane bricht. Handlung: Ich habe vor dem Lesen bereits vermutet, dass es eine Verknüpfung zur Mythologie der "Büchse der Pandora" geben würde, auch wenn das in der Beschreibung nicht explizit betont wird. Letztendlich stellt die geheimnisvolle Vase, die Pandora im Keller des Antiquitätengeschäfts findet, diese Verknüpfung dar, und es ranken sich immer mehr Hinweise darum, dass diese verflucht sein könnte. Ich fand diese Verbindung sehr spannend, ging aber auch unvoreingenommen an die Sache heran, weil ich mich noch nicht mit dieser Sage der griechischen Mythologie beschäftigt habe und die Redewendung der "Büchse der Pandora" nur aus dem Alltag kenne. Diese Erzählung etwas näher kennenzulernen hat mir gut gefallen, die Autorin hat diese mit Leben füllen können und drumherum eine schöne Geschichte kreiert. Figuren: Die Figuren habe ich gerne gemocht, auch wenn sie mir nicht so nahe gekommen sind. Pandora habe ich definitiv am besten kennengelernt, sie hatte sehr viele schöne Eigenschaften und hat die Handlung getragen. Edward war dafür, dass es Pandoras Love Interest und die 2. Hauptfigur ist, recht unscheinbar. Ich mochte ihn für seine ruhige, besonnene Art ganz gerne, aber er war manchmal etwas zu glatt für meinen Geschmack. Da fand ich eher seinen besten Freund Cornelius noch spannend, der durch sein reiches Erbe eine ganz andere Weltsicht hat und so auch häufiger mit Edward aneinandergerät. Generell war mir in der Geschichte in bisschen viel "schwarz-weiß" Einteilung der Figuren vorhanden. Ich mag die Grautöne der Figuren und auch, wenn grundsätzlich gute Menschen Fehler machen oder an Grenzen stoßen. In Ansätzen hat das die Autorin versucht, aber ich hätte mir noch mehr Reflexion und Tiefe gewünscht. Spannung: Mein zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf den Spannungsbogen und Handlungsverlauf. Ich kam erstaunlich gut in die Geschichte rein und ca. 2/3 des Buches fand ich auch sehr spannend und unterhaltsam. Danach gab es für mich eine längere Durststrecke, die das Finale unnötig lange hinauszögerte. So ging die Spannung zwischendrin manchmal etwas verloren, wo ich mir ein strafferes Erzähltempo gewünscht hätte. Vielleicht hätte man die ein oder andere Szene auch kürzen und weglassen können. Auf das Ende haben wir alle hingefiebert, und dafür war die Auflösung etwas ernüchternd. Ich habe spontan keine bessere Idee, wie man das ganze hätte auflösen können, aber ich hatte mir ein bisschen was Spektakuläreres erhofft. Das schmälert rückblickend mein Leseerlebnis ein kleines bisschen, nichtsdestotrotz sind weite Teile der Geschichte spannend und atmosphärisch erzählt. Fazit: Susan Stokes-Chapman hat sich hier an einer von griechischer Mythologie inspirierten Geschichte der "Büchse von Pandora" versucht. Sie hat die Atmosphäre um 1800 für meinen Geschmack gut rübergebracht und mit Pandora eine starke weibliche Figur in den Fokus gesetzt. Für mich schwächelte das letzte Drittel ein bisschen, dennoch kann ich Fans von Mythologie-Retellings und historischen Romanen mit dem gewissen Etwas das Buch ans Herz legen.