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theblackswan

Posted on 4.12.2023

Eine Frau auf einem orangefarbenen Cover - wunderschön und aufmerksamkeitsstark -, ein Klappentext, der sich super interessant liest und ein Buch, dass diese Versprechen für mich nicht einlösen konnte. Dieses Erlebnis hatte ich mit "Die Unbestechliche". Anfangs konnte ich nicht ganz einordnen, woher dieses Gefühl kam, diese leicht Unstimmigkeit beim Lesen und das Gefühl, das Buch nicht unbedingt in die Hand nehmen zu wollen. Und das, obwohl ich die Leseprobe toll und das Thema wichtig fand. Denn was wäre schon auszusetzen an einer starken Frau, die sich in einer Männerdomäne wie dem Journalismus der 70er behaupten muss? Meine Antwort: Eine Protagonistin, die nicht echt wirkt. Das war mein Hauptproblem mit dem Buch. Alice wirkt für mich wie keine echte Person, sondern wie ein Gefäß für Botschaften. Sie hat keinen eigenen Charatker sondern wirkte für mich eher kalkuliert und unemotional. So, als wäre sie da um Statements und Meinung zu transportieren und die biografischen Elemente, die enthalten sind. Wenn man allerdings alles wegnimmt, was sie zum Thema Männerdominanz und Journalismus sagen soll, erscheint für mich eine leere Hülle, mit der ich nicht sympatisieren kann. Vor allem auffällig fand ich das, als wir sie in verschiedenen Altersstufen kennenlernen. Egal ob sie ein Kind oder 21 ist - sie verhält sich wie eine wesentlich reifere Frau, die ihre Gedanken eloquent wiedergibt. Und ist das realistisch oder eben nur dazu da, um einen Punkt zu machen? Auch wenn es darum geht, dass sie eine starke unabhängige Frau ist, hätte dieser Botschaft etwas Emotionalität nicht geschadet.Daneben gibt es allerdings manchmal Nebencharaktere (z.B. die Gassnerin oder Alices Bruder), die so wenig Screentime haben aber meiner Meinung nach echt anfühlen. Soviel zur Figurengestaltung. Die Handlung an sich ist interessant. Wer tief in die aufregende Zeit des Journalismus eintauchen will, kommt hier voll auf seine Kosten. Die Zeitgeschichte ist toll eingearbeitet und man kann einen Blick zurückwerfen. Gleichzeitig werden im Kontext des Journalismus viele interessante Fragen augeworfen, die mir noch eine Weile präsent sein werden (z.B. wie objektiv Journalismus wirklich sein kann). Diesen Aspekt des Buches habe ich wirklich genossen. Was mir allerdings etwas zu kurz gekommen ist, ist der feministische Aspekt, ich glaube da hätte mehr Potentia drinnengesteckt, vor allem da es eben nur teilbiografisch war. Dieses Buch ist außerdem sehr langsam erzählt, bis fast Seite 200 wirkt es eher wie eine Aneinanderreihung an Ereignissen, die teilweise auch eher abgearbeitet werden. Man fragt sich, warum manche Aspekte erwähnt werden, wenn sie später nicht mehr wichtig werden. Alles in allem hat mir bei dem Buch etwas der rote Faden und die Menschlichkeit gefehlt. Wer aber kurze Blicke in den Journalismus einer vergangenen Zeit werfen will, wird dieses Buch bestimmt zu schätzen wissen.

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