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gwyn

Posted on 29.11.2023

Eigentlich hatte sich Dagny auf den Ferienausflug mit ihrer Familie gefreut. Vor allem darauf, endlich ihre Oma kennenzulernen, die auf einer kleinen, wetterumtosten Insel wohnt. Doch als Dagny dort ankommt, fühlt sich das an wie eine Reise ans Ende der Welt! Sämtliche 197 Einwohner leben zusammen in einem einzigen Hochhaus mit zwölf Stockwerken. Von wegen Strandleben, Eisdiele, Geschäfte … Obendrein ist Oma, die Hausmeisterin im Haus, ziemlich giftig und ein Eisbrocken. Über den Besuch von Sohn und Familie freut sie sich gar nicht. Kaum angekommen gibt es Befehle, was man alles nicht machen darf, und Dagnys Hund ist völlig unerwünscht – ein unnützes Ding, sagt Oma. Und dann kommt heraus, dass sie mit dem letzten Schiff vor dem Frühling angekommen sind, Papa und Mama die Kinder angelogen haben: Sie werden auf dieser ungemütlichen Insel das nächste halbe Jahr verbringen. Oma weist ihnen eine Wohneinheit mit einem einzigen Zimmer zu, ohne Bad und Küche, gegessen wird sowieso in der Kantine. Gleich wird der Familie vorgerechnet, was sie nach einem halben Tag auf der Insel an Energie verschwendet haben. Also rauf aufs Fahrrad, Dagny – und strampeln. Jeder Bewohner muss jeden Tag ran, denn die Sonnenkollektoren auf dem Dach reichen nicht aus. Und ihr Bruder muss die Kartoffelsäcke und einiges mehr in die Vorratsräume bringen – der Wintervorrat für die Bewohner, den das Schiff entladen hatte. Mama wird für einen Job im Kuhstall eingeteilt: Ausmisten, füttern, melken. In der Tiefgarage gibt es Kühe, Schweine und diverses Geflügel. Na, das kann ja gut werden. Handyempfang gibt es nur an einer Stelle auf der Spitze der Insel. Die Kinder, denen sie begegnet, sind angezogen, als hätten sie sich aus den Requisiten für einen Film vor dem Krieg eingekleidet. Wo ist sie nur gelandet?, fragt sich Dagny. Sie leben hier zusammen wie in einer Großkommune. Jeder hat seine Aufgaben: Organisation, Küche, Käserei, Metzger, Putzen, Polizei, Feuerwehr, Zahnarzt, Schule (alle Kinder in einer Klasse) usw. Es gibt sogar ein Gefängnis. So beginnt die Geschichte: Papa sitzt im Knast. Das Leben orientiert sich daran, die Gemeinschaft strukturiert durchzutakten, damit sie für alle funktioniert. Jede Verschwendung von Energie und Wasser muss bedacht werden. Wozu ein Saugroboter oder eine Küchenmaschine? Natürlich gibt es auch kein TV. Die Beschäftigung in den freien Zeiten: Man beschäftigt sich miteinander, wie in der Theatergruppe. Dagney findet eine alte Tischtennisplatte und staubt sie ab, sucht sich Mitspieler. Langsam finden sich die Familienmitglieder in die Gemeinschaft ein, kommen gut klar, und die eisige Oma taut langsam auf. Aber irgendwer versucht die Hausgemeinschaft zu sabotieren, und sofort geraten die Neuen in Verdacht. Dagny versucht herauszubekommen, wer der Übeltäter ist. Oma ist nicht nur die Hausmeisterin, die alles im Griff hat – ihr Regime ist streng, da sich alle an die Regeln halten müssen, ihren Job machen. Wehe, einer reißt aus – dann kann die Kette reißen! So richtig warm bin ich mit dem Kinderroman nicht geworden. Schrullige Typen, Humor, die Message, sich zu überlegen, was wirklich wichtig im Leben ist, seinen Energiebedarf zu reduzieren und auch die Situation, dass die Kinder bei der Schlachtung und Verwertung der Tiere mit anwesend sein müssen, um zu wissen, was sie auf dem Teller liegen haben. 197 Einwohner, sie essen viel Fleisch. So viele Tiere können gar nicht in der Garage wohnen, als dass diese zur Nahrung ausreichend sind. Es wird ein Ferkel geschlachtet, das es zum Abendessen geben soll. Für 197 Leute ein Ferkel? Sie haben Korn und Gemüse, das sie anbauen – eine ziemlich kleine, steinige Insel … auch das passt nicht in Relation. So weit, so gut. Ziemlich schnell fragte ich mich: Wie finanzieren sich die Leute? Es gibt einen Laden, in dem man einiges kaufen kann wie Schokolade und Kekse, und die Leute schreiben Listen zur Bestellung vom Festland. Wovon kauft man sich ein Bett (Oma), Bekleidung, persönliche Dinge, Nahrungsmittel für die Gemeinschaft, die man nicht selbst anbaut, wie Salz, Zucker, Gewürze usw. Woher hat der Arzt seine Medikament, Geräte usw.? Die Insel produziert nichts, was sie verkauft. Aber sie kaufen Diverses, natürlich bescheiden, vom Festland. Und genau da geht für mich das Buch nicht auf! Selbstversorgung ja, aber auch Selbstversorger können nicht alles leisten und sie benötigen Tauschwaren oder etwas, das sie verkaufen können. Wir lernen in diesem Kinderroman ca. 20 Personen aus der Gruppe kennen. Was machen die restliche 179, habe ich mich gefragt. Ein wirkliches System konnte ich nicht entdecken. Genau hier wäre der Ansatzpunkt gewesen, eine Produktion zu finden, von der sich diese Kommune finanziert. Das hat der Autor verpasst. Ein interessanter Ansatz, sicher, aber mir zu unausgegoren, um Kindern einen Wirtschaftskreislauf zu erklären. Die Posten werden von der Hausmeisterin vergeben, die anscheinend alles bestimmt; da stellt sich die Frage zur demokratischen Gemeinschaft. Eine weitere Frage zum Kollektiv, die nicht geklärt wurde. Es gibt Gemeinschaftsversammlungen, aber wie genau diese funktioniert, wird auch nicht geklärt. Gelungen ist, darüber nachzudenken, ob wir nicht mit weniger auskommen können, und anstatt Energie zu verschwenden, ob die angeblich wichtigen Dinge, so wichtig sind. Umweltschutz, Energieverschwendung, ein interessantes Thema, aber letztendlich konnte mich das Buch als Gesamtpaket nicht überzeugen. Der Arena Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 10 Jahren – passt. Arndís Thórarinsdóttir und Hulda Sígrún Bjarnadóttir leben mit ihren Familien in Reykjavík. Hulda hat bisher fünf und Arndís hat acht Romane für Kinder veröffentlicht. „12 Stockwerke“ ist ihr erstes gemeinsames Buch. Ausgezeichnet mit dem Icelandic Literary Award 2020.

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