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«Mein Zuhause liegt auf dem Grund des Sees. Unsere Farm liegt dort im Schlamm, und ihre Überreste sind nicht mehr von gekenterten Booten zu unterscheiden. … Vielleicht war es gute Absicht, als man den so wilden Gunnison River aufstaute und ihn zwang, ein See zu werden.» Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Er hat dunkle Augen und Haare, selbst die Haut ist ein wenig dunkler. Eigentlich wollte sie nur den betrunkenen Seth nach Hause holen. Auf dem Rückweg beschimpft er seine Schwester, weil sie mit dem dreckigen Mexikaner geredet hat, schubst sie herum. Victoria fällt, verletzt sich den Knöchel, kann nicht laufen, als Wil zwischen den Bäumen hervortritt – sie nach Hause trägt. Der Vater begegnet dem Indianer mürrisch, schickt ihn gleich fort. Aber die Bande zwischen Wil und Victoria sind nicht mehr zu trennen. Die Familie hatte es geschafft, in dieser rauen Umgebung Colorados Pfirsiche zu züchten, die in der ganzen Gegend berühmt sind. Victorias Urgroßvater hatte solange getüftelt, bis er eine Sorte hinbekommen hatte, die diesem Wetter standhielt. Sie waren glücklich vor ein paar Jahren mit Mama, ihrer Schwester, die einen wunderbaren Mann gefunden hatte und Mamas jüngstem Bruder. Lediglich Seth war ein Stinkstiefel, Victorias Bruder, launisch, aggressiv, faul, immer nur Blödsinn im Kopf – eben ein unangenehmer Charakter. Die Mutter hatte ihn halbwegs im Griff. Dann kam der Krieg, nahm dem jungen Onkel das Leben und dem anderen ein Bein. Es folgte ein Autounfall und die Schwestern starben. Zurück blieb eine traumatisierte Familie; Victoria wächst auf mit dem wortkargen Vater, dem mürrischen Onkel, der im Rollstuhl sitzt, und einem Bruder, der sich zum Taugenichts entwickelt. Als Victoria den sanften Wil kennenlernt, spürt sie endlich Liebe und Geborgenheit. Die beiden treffen sich heimlich. An dem Tag, da sie feststellt, dass sie schwanger ist, scheint Wil verschwunden zu sein. Ein paar Tage später wird er aufgefunden, tot. Jemand hat ihn mit dem Auto zu Tode geschleift. Seth und sein rassistischer Freund geraten in Verdacht. Und Victoria weiß, wenn die Familie erfährt, dass sie schwanger ist, kann es auch ihr Leben kosten. So geht die Siebzehnjährige heimlich vom Hof, hoch in die Berge zu einer abgelegenen, halb verfallenen Hütte, um dort versteckt ihr Kind zu bekommen. Ein naives Mädchen, das sich entwickelt; eine Frau, die ihr Leben in die Hand nimmt, selbstbestimmt lebt, ihr Leben der Pfirsichzucht widmet. Der Roman beschreibt ihr Leben über vier Jahrzehnte; ihre Verbundenheit zur Natur und ihrer Heimat gibt ihr die Kraft. Schöne Naturbeschreibungen begleiten die ruhige Geschichte. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch … eine Hollywood-Geschichte. Ein Coming-of-age mit einem starken Charakter; allerdings fallen die Männer allesamt ins Klischee. Mir gab es zu wenig Grautöne und zu wenig Steine im Weg. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein! Den Vergleich mit den Flusskrebsen hält der Roman nicht stand. Völlig anders und viel einfacher gewebt. Gute Unterhaltung. Shelley Read lebt in fünfter Generation mit ihrer Familie mitten in den rauen Elk Mountains in Colorado. Sie ist tief verwurzelt in dieser Gegend und ihrer Natur, die auch ihren Debütroman inspiriert und geprägt hat. «So weit der Fluss uns trägt» hat weltweit für großes Aufsehen gesorgt und erscheint in über 30 Ländern.