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Buchdoktor

Posted on 20.11.2023

Sie stritten und vertrugen sich Zwischen Virginia Woolf (1882-1941) und Vita Sackville-West (1892-1962) bestand eine hochdramatische berufliche, geschäftliche und Liebesbeziehung. Woolf war Urheberin des legendären Essays „Ein Zimmer für sich allein“, Sackville-West war gemeinsam mit ihrem Mann Harold Nicolson nicht nur Woolfs Verlegerin; beide sind auch für den Garten von Sissinghurst Castle berühmt. Katja Kulin lenkt in ihrer Romanbiografie den Focus auf zentrale Momente im Leben der beiden Autorinnen, die - fiktionalisiert - jeweils die innere Verfassung der Biografierten zeigen. In neun Kapiteln werden entscheidende Ereignisse jeweils mit Zitaten aus Briefen und Tagebüchern eingeleitet, die Kapitelüberschrift gibt Datum und Handlungsort an, so dass sich Fakten/Quellen und Fiktion wie Vorsatzpapier und Buchblock gegenüberliegen. Themen dieser Introspektion sind die komplizierte Beziehungen zwischen dem Liebespaar, zu ihren Ehemännern und zahlreichen weiteren Personen, die berufliche Verbindung zwischen Autorin und Verlegerpaar, Woolfs „Konstitution“ (ihre schwere psychische Erkrankung), die räumliche Trennung voneinander, prägende Kindheitserlebnisse und der gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Überschattet war diese Freundschaft von Eifersucht und Verlustängsten zwischen den Liebenden und ständigen Selbstzweifeln der Autorinnen. Die Konzentration auf zentrale Momente im Leben der beiden Frauen finde ich außerordentlich gelungen. Wer bereits über Woolf und Sackville-West gelesen hat, für den oder die leuchtet die Autorin bekannte Fakten neu aus. Ihr Ausdruck wirkt empathisch und respektvoll gegenüber der beschriebenen Epoche. Meine Biografien-Lektüre über Woolf/Sackville-West liegt lange zurück, so dass Kulins konzentrierter Blick u. a. auf „die Mädchen, die die Schriftstellerinnen waren“ und den gegenseitigen Einfluss mir hier neue Einsichten vermitteln konnte, das gilt besonders für meine Einordnung psychischer Krankheit mit dem Wissen von heute. Im Nachwort äußert sich die Autorin ausführlich zum Verhältnis von Fakten und Fiktion. Obwohl es sich um eine Romanbiografie handelt, würde ich das Buch ins Biografien-Regal einordnen.

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