R. S.
Seltsam und fesselnd zugleich - nichts ist, wie es scheint "Das Nachthaus" von Jo Nesbø ist diesmal kein Krimi aus der Feder des bekannten Autors der Harry-Hole-Reihe, sondern eher ein Roman in einem Roman, der mit Horror- und Spannungselemente sowie einer Prise Magie arbeitet und einen etwas ratlos zurücklässt. Ratlos deswegen, weil ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich alles so verstanden habe. Überraschende und seltsame Ereignisse, mit einer Prise an Grusel, lassen sich hier alle finden, bei denen der erste Eindruck zu trügen scheint oder doch nicht...? "Das Nachthaus" ist in drei Teile gegliedert. Der Schauerroman beginnt mit einem Rückblick in die 1980er-Jahre und erinnert in seiner Erzählweise eher an einen YA-Horrorroman. Richard Elauved erzählt, wie er als 14-Jähriger nach Ballentyne zu seiner Tante und seinem Onkel zog, nachdem seine Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen war. In der Schule wird er zum Außenseiter und hat einen Ruf als Tyrann. Niemand glaubt ihm, als Tim, einer seiner Mitschüler, verschwindet und er nichts damit zu tun hat. Seine Erklärung, die Telefonzelle am Waldrand habe Tom wie in einem Horrorfilm in den Hörer gesaugt, nimmt ihm keiner ab. Niemand, außer Karen, ebenfalls eine Außenseiterin, die Richard ermutigt, Hinweisen nachzugehen, denen die Polizei nicht nachgehen will. Er verfolgt die Nummer, die Tom von der Telefonzelle aus angerufen hat, zu einem verlassenen Haus im Wald. Dort erhascht er einen flüchtigen Blick auf ein furchterregendes Gesicht im Fenster. Und dann beginnen die Stimmen in seinem Ohr zu flüstern. Als ein weiterer Klassenkamerad von Richard verschwindet, versucht er umso mehr seine Unschuld zu beweisen und muss sich zusätzlich noch mit dunkler Magie beschäftigen. Der zweite Teil der Handlung spielt dann 15 Jahre später und lässt die Ereignisse von damals in einem komplett anderen Licht sehen, um sich dann im dritten Teil wieder eine 180°-Drehung hinzulegen. Die Frage, die jedoch über allen zu schweben scheint, ist, ob Richard als Erzähler glaubwürdig ist... Die Geschichte ist einfallsreich, voller seltsamer und überraschender Drehungen und Wendungen. Manche Fantasy- und Horrorelemente werden geschickt im Stile eines YA-Schauerromans miteinander kombiniert, was vielleicht nicht jeden ansprechen wird. Vieles ist definitiv sehr fantasievoll und soll der Vorstellungskraft eines 14-jährigen Jungen widerspiegeln. Die Handlungsabschnitte, die in diesem Stile geschrieben sind, würden, als alleinstehende Erzählungen mich nicht richtig begeistern können, aber im Gesamtpaket fügen sie sich stimmig in die Gesamthandlung ein. Am meisten überzeugen konnte mich der letzte Teil, von allen dreien Teile. Es ist jedoch ein wilder Ritt, bis man dahin gelangt. Kurze Kapitel und Nesbøs packender Schreibstil und die Frage, was ist wahr und was nicht, schaffen es einen dabei zu fesseln. Der Autor lässt einem keine Zeit zum durchzuatmen und lässt einem dann am Ende mit der Frage, was man hier eigentlich gelesen hat, allein zurück. Ob man diesen verrückten Genre-Mix mag oder nicht, ist Geschmackssache. Mich wusste das Buch zu fesseln, auch wenn ich nicht so richtig sagen kann, wieso eigentlich. Interessant, anders und überraschend - ein Roman, der anders ist als das, was man von Nesbø gewohnt ist. Atmosphärisch und spannend geschrieben, mit einer Handlung, an der sich die Geister scheiden werden - so präsentiert sich "Das Nachthaus".